: Hunderttausende trauerten
■ Gedenken an die Möllner Opfer: Aktionen von Arbeitern, Arbeitgebern und Schülern / HWP-Studis streiken / Türkische Geschäfte geschlossen
: Aktionen von Arbeitern, Arbeitgebern und Schülern / HWP-Studis streiken / Türkische Geschäfte geschlossen
1
2å In Betrieben des Metallgewerbes von Stralsund bis Emden ruhte gestern bis zu einer Stunde die Arbeit. Sowohl der Bezirksverband Küste der IG Metall, als auch der Arbeitgeberverband Nordmetall hatten die Beschäftigten zu Schweigemärschen und Gedenkfeiern aufgerufen. Anlaß war die gestrige Trauerfeier für die Opfer des Möllner Brandanschlags in Hamburg.
Die Geschäftsleitungen einiger Betriebe überreichten Blumen an ausländische Arbeitnehmer. Drei Flensburger Unternehmen weigerten sich allerdings, an den Aktionen teilzunehmen. In Hamburg gingen sogar Beschäftigte von Handwerksbetrieben, die nicht dem Metallgewerbe angehören, mit auf die Straße.
Nach Aussage der Pressesprecherin der IG Metall, Gisela Petterson, hat der Aufruf „voll den Nerv der Belegschaften getroffen“. Rund
1200000 Metaller gaben ihrer Trauer spontan Ausdruck. „Damit hat die bisher schweigende Mehrheit in Norddeutschland eindeutig Stellung genommen.“ Auch in Rostock habe es eine große Kundgebung auf dem dortigen Werftgelände gegeben. „Im ganzen Bundesgebiet wollen Gewerkschaften und Arbeitgeber unserem Vorbild folgen“, sagt Gisela Petterson.
An allen öffentlichen Gebäuden in Hamburg wehten gestern die Fahnen auf Halbmast. Überall zeigten Menschen Anteilnahme für die drei ermordeten türkischen Frauen. Mehrere hundert Menschen folgten dem Aufruf der Erwachsenenbildungseinrichtung „Stiftung Grone-Schule“ und zogen in einem Demonstrationszug durch Hammerbrook. Sie nahmen anschließend an der Trauerfeier für die Opfer von Mölln teil. Schüler und Lehrer der Max-Brauer-Schule und der Schule Rothestraße in Altona bildeten eine Menschenkette von der Bahrenfelder Straße zum Spritzenplatz. Über 3000 Menschen gingen schweigend durch Blankenese — aufgerufen hatten die Initiative „Hilfe für Ausländer“ und das Gymnasium Willhöden.
Die Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) beschlossen während einer Vollversammlung einen aktiven Streik für Montag und Dienstag der kommenden Woche. Eine überwältigende Mehrheit der StudentInnen habe sich für diese Aktion ausgesprochen, teilte der Asta mit. Es sei nicht hinnehmbar, daß MigrantInnen für die Probleme in der Bundesrepublik verantwortlich gemacht würden. In Form von Arbeitsgruppen und Vorlesungen wollen sich die HWP-Studierenden an den beiden Streiktagen mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen.
Als gestern mittag in der El-Aksa Moschee im Stadtteil Hamm die Trauerfeier für die Opfer des Brandanschlags vom vergangenen Montag in Mölln begann, versammelten sich mehrere tausend Menschen vor dem Gebäude. Pressevertreter aus aller Welt verfolgten die religiöse Feier. In einem Konvoi waren die Särge mit den Toten am Vormittag aus dem schleswig-holsteinischen Mölln nach Hamburg gebracht worden.
Die meisten türkischen Geschäfte in der Hansestadt blieben geschlossen. Nicht aus Protest, sondern aus Anteilnahme. Für einige Händler war es allerdings schwierig. So schloß ein Laden in St.Pauli erst um 13 Uhr, weil er den Lieferanten nicht kurzfristig absagen konnte. Torsten Schubert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen