Von Moral und Heuchelei

■ Morgens Oberarzt der Drogenklinik, abends aktiv in Friesenstraßen-Ini

Viele Sozialarbeiter und Behördenvertreter aus dem Bereich der Drogenarbeit waren zur Einweihung der zweiten Drogenakutstation nach Sebaldsbrück gekommen. Einige von ihnen staunten nicht schlecht, als Dr. Hingsammer-Busch für die Klinikleitung ans Rednerpult trat — ist er einigen doch aus ganz anderen Zusammenhängen, „quasi von der anderen Seite“ her bekannt. Denn der Oberarzt ist mit Maria Busch verheiratet: Seine Frau ist aktiv in der Spielplatzinitiative Friesenstraße, Kandidatin für „Wir im Viertel“ bei der vergangenen Beiratswahl.

In der Klinik präsentierte sich ihr Mann als verständnisvoller Mediziner: Daß psychotherapeutische Arbeit im engeren Sinn auf der Station nicht angeboten werde, erklärte er. Denn schließlich sei die angebotene Methadonbehandlung Mittel zur „Erleichterung der Entgiftung“, ein erster Schritt zu „selbstverantwortetem Handeln“, Rückfälle in „tief verunsichernde Gefühle“ (und damit Sucht) aber verständlich. „Hier ist ein Ort, wo man wiederkommen und weitermachen kann“, werde den „schwerkranken Patienten“ vermittelt, so der Doktor. „Abbruch ist nicht das Ende, sondern die Erfahrung einer Grenze, eine Chance für Neuanfang.“

Hehre Worte — allein: Es fehlt der Glaube. Denn während Armand Hingsammer-Busch in seiner Rede die akzeptierende Drogenarbeit als „einen Meilenstein in der Drogenarbeit“ lobt, erlebten akzeptierend arbeitende Sozialarbeiterinnen ihn vor seiner Haustür äußerst repressiv. Dort griff der Arzt nämlich im Sommer höchstselbst zum Kleistereimer und überklebte die Straßenschilder „Friesenstraße“ mit Transparenten „Bürgermeister Fick-Allee.“ Andere hatten erlebt, wie der Doktor im Sommer zuvor mit einem Kind an der Hand die Frauen vom Drogenbus aufgefordert hatte, wegzufahren: „Wenn nicht so, dann mit Gewalt.“

Nach einem langen Arbeitstag wollte Dr. Hingsammer-Busch zu dieser Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben nichts sagen: Natürlich lebe er mittendrin und könne da seinen „recht hautnahen Eindruck“ schildern. Zumal zwei seiner drei Kinder auf den Spielplatz Friesenstraße gehen, ein Sohn sich im vergangenen Jahr an einer Spritze verletzte. Doch, so betont der Oberarzt, er sei der Ansicht, daß diese Fragen ihn eher in seinem Arbeitszusammenhang beträfen. Und da möchte er doch lieber auf die Dienstzeit verweisen, etwa ab Montag vormittag, da sei er gerne bereit, habe auch den Terminkalender zur Hand — zumal er sich öffentlich nur äußern dürfe, wenn die Senatorin für Gesundheit ihm grünes Licht gibt...

Recht so, Herr Doktor, findet grundsätzlich Rosi Roland