Der Bremer Schulmilch-Streit

■ Eingetauscht: Prenzlauer Milch gegen bremischen Kakao / Bremer Kids sind sauer

Mega-Out: Die gute BremerlandFoto: Tristan Vankann

Seit Montag quittieren Bremer Schulkinder den gewöhnlich mit Sehnsucht erwarteten Gong zur großen Pause mit Schaudern. Seit Montag nämlich wird in Bremen eine neue Schulmilch ausgeschüttet. Die gewohnte Bremerland ist out, stattdessen wird Ucki geliefert, Uckermärker Milch und Kakao aus Prenzlau in Berlin, von den glücklichen Kühen aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Zwischen „ekelhaft“ und „grauenvoll“ finden das die sieben-bis zehnjährigen. In den Fluren der Bildungsbehörde kursieren Milchproben für Geschmackstests, Kinder protestieren, Eltern sind ratlos, schon werden die ersten Milchboykotte erwägt. Zu süß, finden die einen, nicht genug Kakaogeschmack, monieren die anderen. Zwar hat die Kakaogeldsammlung in dieser Woche noch keine nennenswerten Einbrüche zu verzeichnen, aber „so etwas dauert erfahrungsgemäß seine

hierhin bitte die fließende Milch

Zeit, bis die Kinder ihren Eltern klargemacht haben, daß sie diese Milch nicht wollen“, erklärt eine Schulleiterin aus der Bremer Neustadt.

„Ekelhaft“ bis „grauenvoll“

Bei der Bildungsbehörde hat man das Murren zur Kenntnis genommen, passiert ist noch nichts: „Umstellungsschwierigkeiten“, die Hände seien gebunden. Geliefert wird die Milch von dem Lilienthaler Vertriebsunternehmen Böttjer. Der Vertrag zwischen Behörde und Böttjer regelt nur bestimmte Qualitätsmerkmale der Milch, nicht aber die Sorte. „Es ist schwierig, da etwas zu machen, über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten“, meint Behördensprecher Manfred Ruberg.

Ein Verpackungsproblem sei Schuld am Markenwechsel, erklärte Jürgen Böttjer. Die Bremerland-Flaschen seien mit einem einfachen Alu-Deckel verschlossen

gewesen. „Die waren aber nicht richtig dicht. Die Hausmeister haben sich beschwert, daß die Milch an den Flaschen herunterlief. Oft war die Ware auch schon sauer, als sie es noch nicht sein durfte und sorgte für Geruchsbelästigungen.“ Ucki dagegen habe eine ordentlich festes Plastekäppchen, das zusammen mit den leeren Glasflaschen an die Molkerei zurückgehe. Von den Geschmacksbefindlichkeiten der Bremer Kids hat Böttjer auch schon gehört. „Wir bemühen uns noch um eine neue Rezeptur“, versichert er. „Die Milch aus Prenzlau hat aber im Vergleich mit dem ortsansässigen Kakao weniger Stabilisatoren.“ Vielen Pädagogen, Hausmeistern und Schulleitern sei die neue Marke deshalb ganz recht.

Brancheninsider erzählen dagegen von anderen Gründen für den Wechsel der Milchmarke. Die Bremerland-Molkerei sei es gewesen, die die Lieferung eingestellt habe. Der Grund: Der Bremer Lieferant habe Schulden bei der heimischen Molkerei. Aus beiden Häusern, Bremerland und Bötjer, war dazu am Freitag keine Stellungnahme zu bekommen.

Die Ost-Milch ist gar keine

Und noch mehr Überraschungen gibt es: Die Ost-Milch, die auf so viel Skepsis stößt, ist gar keine Ostmilch mehr. Nach der Auflösung der DDR hat die Uckermärker Molkerei mit verschiedenen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, die Uckermärker Milch GmbH, an der zunächst die Berliner Treuhand 30 Prozent Anteile besaß. Mittlerweile, so erklärte Ucki-Prokurist Burghard Devadier, sei der Betrieb im Besitz der (West-)Berliner Molkerei MZ Berlin und der Firma Eismann in Mettmann (bei Düsseldorf). Von einem Molkerei-Neubau in Prenzlau geht die Milch zweimal die Woche (je 30.000 Viertelliter-Flaschen) zunächst in ein Böttjer-Lager nach Tangermünde (Stendal) und von dort weiter nach Bremen.

Miese Milch bleibt teuer

Gerade der lange Transportweg ist es, der auf Kritik stößt: „Ist es denn wirklich nötig, daß die Milch 400 Kilometer weit mit einem Auto durch die Gegend gefahren wird, wenn wir hier in Bremen eine Molkerei haben?“, fragt eine Rektorin aus dem Viertel. Böttjer: „Wir fahren die Strecke ohnehin, der Wagen, den wir auf dieser Route einsetzen, ist bislang immer leer zurückgekommen.“

Ein Argument kommt noch hinzu, über daß Böttjer dann doch nicht so gerne reden möchte: das Geld. „Klar“, räumt er ein, „die Ost-Milch ist auf Dauer billiger.“ Das Kakaogeld, daß ca. 7.000 Kids zahlen müssen, beträgt aber weiter 2,50 Mark.

mad