„Spritzentausch nur in der Geschäftszeit“

■ Streit in Bremen-Nord über Drogenhilfe

„Man hätte gleich Nägel mit Köpfen machen können“, ärgert sich Apotheker Dietrich Bannert über die Vegesacker SPD-Beiratsfraktion. Hintergrund: Die Gescholtenen gingen letzte Woche mit einer neuen Idee zur Ausgabe sauberer Spritzbestecke an Bremen-Norder Junkies an die Öffentlichkeit. Danach bleiben die GenossInnen auf der im Oktober vom Vegesacker Beirat vorgegebenen Linie: Ein Spritzenautomat hat im Stadtteil nichts zu suchen. Sie förderten „eine zentralisierte Drogenszene“, schreibt die SPD in ihrer Presseerklärung.

Stattdessen sollen die 450 Bremen-Norder Junkies über die Apotheken mit neuen Spritzen versorgt werden. „Apotheken gibt es in jedem Stadtteil, die flächendenckende Versorgung ist also gewährleistet“, argumentiert Fraktionssprecher Raimund Kasper. Und: „Die Apotheker können die alten Spritzen fachgerecht entsorgen.“ Zudem sei es durch den Notdienst auch am Wochenende und an Sonn- und Feiertagen möglich, saubere Spritzen zu bekommen.

Ganz so einfach, wie es sich die SPD anscheinend vorgestellt hat, wird es nicht. Das machte Bannert, der gleichzeitig für die CDU im zuständigen Gesundheitsausschuß des Vegesacker Beirates sitzt, in der letzten Sitzung und gegenüber der taz klar. „Wenn man vor der Veröffentlichung mit den Apothekern gesprochen hätte, hätte man gleich Nägel mit Köpfen machen können. Jetzt wird es sehr schwierig, die Hemmschwelle, die bei diesem Thema doch ziemlich hoch sitzt abzubauen“, ist der Apotheker überzeugt. Bannert selbst kann sich solch ein von der SPD angedachtes Modell zumindest in Teilen vorstellen. „Wir entsorgen ja auch jetzt schon alte Spritzen, ohne von der SPD dazu ermuntert worden zu sein“, meint er selbstbewußt. Junkies gehören eben auch zum Kundenkreis.

So kann sich Apotheker Bannert denn auch vorstellen, kostenlos saubere Spritzbestecke an Drogenabhängige abzugeben und die alten zu entsorgen. Voraussetzung dafür: Die zuständige Behörde stellt Container zur Verfügung. Dort könnten die Junkies ihre Bestecke reinwerfen. Außerdem müßte der Senat die Kosten für saubere Spritzen übernehmen. Bannert glaubt: „Die Drogenabhängigen sind willig zur Zusammenarbeit. Bei ihnen muß allerdings genauso eine Hemmschwelle überwunden werden, wie bei den Apothekern.“ Bevor man solch ein Projekt startet, müßte die Drogenberatung die Apothekerinnen jedoch über das Thema informieren. Die Spritzenausgabe indes funktioniert nur während der Geschäftszeit von 8.30 bis 18.30 Uhr. Der Grund: Die ApothekerInnen, so Bannert, ließen danach aus Sicherheitsgründen niemand mehr ins Geschäft. Dort aber ständen die Container, wo die Junkies ihre Spritzen hineinwerfen müßten. Wenn die Forderung nach vierundzwanzigstündigem Spritzentausch im Raum stehen bleibe, so Bannert, „werden Sie die Apotheker für diese Aktion nicht gewinnen können“. Und wenn, sollten sie freiwillig mitmachen.

Dort liegt auch für Lasse Berger vom Bremen-Norder Präventionszentrum der Bremer Hilfe zur Selbsthilfe die Krucks: „Wenn die Entsorgung und der 24-Stunden- Rhythmus zum Spritzentausch nicht gewährleistet sind, funktioniert das nicht.“ Konsequenz daraus: „Der Automat muß trotzdem her.“ Schützenhilfe bekommt Berger vom Grünen Beiratsmitglied Martin Oldenburger. „Von den Drogenabhängigen wird nicht jeder in die Apotheke gehen“, plädierter für einen Spritzenautomaten. Sein Standortvorschlag: „Vor der Tür bei der Drogenberatung Bremen-Nord.“

Ulf Buschmann