Bunte Kopftücher und Kinderbündel

■ Hamburger Polizei und Behörden dulden ausländische BettlerInnen / Verwarnungsgelder nicht im Gespräch

/ Verwarnungsgelder nicht im Gespräch

Ein grauer Winter-Vormittag auf der renommierten Konsum-Meile der Hansestadt, dem Jungfernstieg. Eilige Passanten in dezentem Tuch hasten vorbei. Kaum jemand kümmert sich um die Frauen mit den bunten Kopftüchern, die in einer Reihe, jeweils etwa zwanzig Meter Abstand haltend, auf dem kalten Steinboden sitzen und ihre Kinder- Bündel im Arm halten. Eine Plastikschale steht vor ihnen, außer ein paar Pfennigen findet sich nur noch ein mit schlechtem Deutsch bekritzeltes Pappschild darin. Die Aussage dieser Armutstafeln bleibt immer gleich. Sie haben kein Geld und keine Wohnung. Sie bitten um Hilfe, um ein paar Münzen.

Die meisten der bettelnden Mütter sind Migrantinnen aus Jugoslawien und Rumänien. Sie versuchen, mit ihren Kindern Mitleid zu erwecken. Sind die jungen Berufstätigen zu groß, um im mütterlichen Arm zu liegen, ziehen sie selbst mit dem Pappschild los. Mit einem Gespür für unsichere und emotionale Gemüter bitten sie die Passanten in ihrer fremden Sprache um etwas Geld. Zückt man nicht das Portemonnaie, wiederholen sie ihre wehklagend vorgetragene Forderung als eine Art Singsang.

In ihrer Professionalität und in ihrer kindlich-sympathischen Ausstrahlung übertreffen sie zwar bei weitem ihre deutschen Berufskollegen, doch gelten sie im Gegensatz zu letzteren eher als öffentliches Ärgernis. Mit dem Strom der MigrantInnen aus dem Osten verändert sich die Bürger-Toleranz gegenüber den bunt gekleideten BettlerInnen. Speziell die fremdartig aussehende Armut irritiert.

Nachdem die niedersächsische Stadt Nienburg „Knöllchen“ bis zu 75 Mark an „organisierte“ BettlerInnen verteilte, kam dem Geschäftsführer des Städtetages, Karl- Ludwig Schmiing, die Idee der Nachahmung. Er meint, „vor allem Kinder rumänischer Asylbewerber werden zunehmend ein Problem“. In Schleswig-Holsteins Ordnungsämtern überlegt man nun, ob sich für diese Verwarnungsgelder eine Rechtsgrundlage nach dem Sammlungsgesetz finden läßt.

Erwägt Hamburg ähnliche Überlegungen? „Nö“, lautete knapp die Antwort aus der Innenbehörde. Pressesprecher Günter Krebs sieht eher „einen sozialen Ansatz als einen Knöllchen-Ansatz“. Die Kinder würden nicht verwarnt, in Einzelfällen würde lediglich die Jugendbehörde informiert. Ute Florian, Jugend- und Sozialdezernentin, weiß nichts von organisiertem Betteln. „Solange es den Kindern

1gut dabei geht“, so Florian, unternehme die Behörde nichts.

Grundsätzlich ist Betteln nicht strafbar. Ordnungswidrig kann es allerdings dann werden, wenn die „Allgemeinheit belästigt wird“, und

1zwar mit einer „grob ungehörigen Handlung“. In Hamburg existiert auch ein Sammlungsgesetz. Doch der Sprecher der Hamburger Justizbehörde, Nikolaus Berger, sieht eher den soeben erwähnten Para-

1graphen 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes anwendbar. Die für die City zuständigen Polizeistreifen jedenfalls unternehmen nichts, denn „Betteln ist schließlich nicht verboten!“ Annette Bolz