Leiche weiblich oder tot

■ Der ewige Streit um die Form: männliche und weibliche Sprache im Gesetz

Ruhig ist es angegangen, das politische Jahr 1993. Doch hinter den Rathausmauern, da tut sich Dramatisches. Eine Stunde lang stritten die Senatorinnen und Senatoren. Und laut ging es zu! Gleich zweimal wurde kampfabgestimmt, und zweimal hieß es 5:5. Die Emanzipation der Gesetzessprache war es, die die Gemüter derart erhitzte. Da ist die Rede von Schülern und Kehrern, Polizisten, Beamten, Ärzten, jedenfalls nur von Männern. Und deshalb fordern Frauenbewegte, allen voran die Bremer Gleichstellungsstelle, endlich auch Frauen gesetzlich vorzusehen. Aber wie? Der Schrägstrich die Schüler Schrägstrich in liest sich schlecht und spricht sich grauenhaft. Die LehrerInnen mit dem großen I hinter dem männlichen Wortteil ist auch nicht schön.

Die Frauenfraktion im Senat verlangte, es sollten doch bitteschön immer Pärchen gebildet werden. Im erst kürzlich verabschiedeten Gesetz über das Leichenwesen hatte Gesundheitssenatorin Gaertner das schon einmal mustergültig vorgeführt: „Bei Sterbefällen in Krankenhäusern, Verkehrsmitteln oder während einer Veranstaltung hat die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung, der Fahrzeugführer oder die Fahrzeugführerin, der Veranstalter oder die Veranstalterin die Benachrichtigung des Arztes oder der Ärztin zu veranlassen.“

Leichenschau sei falsch, krittelte die Männerfraktion. Das müsse Leichen- und Leichinnenschau heißen. Was die BefürworterInnen der Pärchen gar nicht komisch fanden, weil die Leiche sowieso weiblich, sachlich aber weder männlich noch weiblich, sondern vor allem tot ist.

Und dann der Aufwand: Die Beamten müßten zu grammatikalischer Fortbildung geschickt und alle Gesetze nachgebessert werden... Was aber, wenn dabei ein Mann keine Frau abbekommt, ganz aus Versehen? Stünde da schwarz auf weiß: Schüler sind zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet, würden dann nicht die Schülerinnen wegbleiben? Und was tat der Senat in seiner Ratlosigkeit? Er entschied mit der doppelten Stimme des ihm vorsitzenden Bürgermeisters Jäger — gegen die Pärchen.

Inzwischen hat die Vorsitzende des parlamentarischen Gleichstellungsausschusses angedroht, einen bösen Brief an den Senat zu schreiben. Die letzte Beratung wird das also nicht gewesen sein. Vor allem, weil die Pärchenvariante, die die Frauen endlich mal zuerst nennt, und die rein weibliche Form, die die männliche sowieso beinhaltet, überhaupt noch nicht durchgesprochen wurden. In Bremen wird wieder kräftig regiert. Rosi Roland