"Lauschangriff" auf Taxi-Fahrgäste

■ Hamburger Abendblatt wollte TaxifahrerInnen für gezielte Indiskretionen bezahlen / Aktion nach Protesten abgebrochen / Chefredakteur: Das ist nicht unser Stil / Datenschutzbeauftragter nicht begeistert

wollte TaxifahrerInnen für gezielte Indiskretionen bezahlen / Aktion nach Protesten abgebrochen / Chefredakteur: Das ist nicht unser Stil / Datenschutzbeauftragter nicht begeistert

„Außerhalb des Beichtstuhls werden nirgendwo so viele intime Dinge erzählt wie im Taxi“, weiß Taxi-Unternehmer Peter Soeth aus eigener Erfahrung. „Der Fahrgast muß dabei von der Verschwiegenheit des Chauffeurs ausgehen können“, ergänzt Kollege Rudolf Schmitt. Das aber könnte er nicht mehr, wenn es nach dem Lokalchef des Hamburger Abendblatts, Dierk Strothmann, gegangen wäre. Er forderte Ende 1992 im Verbandsorgan der fahrenden Zunft „Taxi- Hamburg“ die Chauffeure zum Aushorchen ihrer KundInnen auf.

„Wir möchten gern, daß unsere Leser mitbekommen, was (...) Hamburger Taxifahrer sehen und hören, von Neuigkeiten erfahren, die im Taxi erzählt werden“, formulierte der Journalist in dem Verbandsorgan. Dabei könne es sich „auch um Gerüchte handeln“; besonders „interessant“ sei aber vor allem, was „Prominente (...) im Taxi erzählt haben“. Als Anreiz zur gezielten Indiskretion lobte das Abendblatt sogar ein „Honorar“ „zwischen zehn und 100 Mark, in Ausnahmefällen auch mehr“ aus.

Taxi-Fahrer Thomas Droop forderte seine KollegInnen daraufhin per Leserbrief in „Taxi-Hamburg“ auf: „Laßt uns bei solchen Schweinereien nicht mitmachen.“ Und: „Vielleicht bitten uns die Medien demnächst, diese intimen Infos gegen ein ,Jet-set-Sofort-Honorar‘ schon während der Fahrt per Autotelefon durchzugeben, damit unsere Fahrgäste am Fahrtziel von Reportern empfangen werden können.“ Und Taxenunternehmer Schmitt fragt: „Was für ein Gefühl muß unsere Fahrgäste beschleichen, wenn sie immer davon ausgehen müssen, vom Fahrer abgehört zu werden?“ Das Angebot bedeute einen „Einsatz der Taxifahrer zu Lauschangriffen gegen Fahrgäste“.

Für „völligen Unsinn“ hält Abendblatt-Chefredakteur Peter Kruse solche Vorwürfe. Zwar könne er an dem Strothmann-Brief „nichts Schlimmes finden“, doch zu der angedachten Kolumne mit Klatsch und Tratsch von der Taxen-Hinterbank sei es nie gekommen. Kruse: „Uns wurde klar, daß so etwas nicht unser Stil ist, da haben wir es gelassen.“ Doch obwohl für das Abendblatt die Geschichte, auch mangels größerer Beteiligung der Taxen-Chauffeure, offiziell beendet ist, kann Kruse nicht verhehlen, daß „im Einzelfall“ die aufgrund des Aufrufs in der Redaktion eingetroffenen Infos bereits gedruckt und die redseligen Taxifahrer dafür auch entlohnt wurden.

Auch Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader ist von den Abendblatt-Praktiken nicht gerade begeistert: „Eine mit dem normalen Verständnis von Treu und Glauben nur schlecht vereinbare Methode“. Der Datenschützer will den Lokalchef nun um Stellungnahme bitten. Marco Carini