Entlang der Grenze

■ Cindy Shermans sechsteiliger Foto-Zyklus 'Civil Wars– in der Galerie Ascan Crone / Auswegsloser Zwang zur Nähe von Tod

sechsteiliger Foto-Zyklus Civil Wars in der Galerie Ascan Crone / Auswegsloser Zwang zur Nähe von Tod

Beklemmend düsteres Licht liegt über der 1,90 mal 1,30 Meter großen Farbfotografie, und der Anblick, den sie bietet, ist Schreckensvision und Rätsel zugleich. Ein Fuß ragt ins Bild und von einer anderen Seite eine Hand, beide mit befremdend schwärzlicher Hautfarbe. Anatomisch besehen können sie unmöglich demselben Körper zugehören - vielleicht aber gibt es gar keinen dazugehörigen Körper mehr? Ein Totenkopf - oder ist es nur ein Stein im verwirrenden Schattenspiel - glimmt bläulich und unwirklich im linken oberen Eck des seltsam-grausigen Stillebens, derweil um das Bildzentrum herum verstreut goldene Patronenhülsen glänzen.

Das Bild hat keinen Titel, ebensowenig wie die anderen Werke aus der Serie Civil Wars der amerikanischen Fotografin Cindy Sherman. Die Serie über den Bürgerkrieg enstand 1991 und ist in der Eppendorfer Galerie Ascan Crone jetzt zum ersten Mal in einer Ausstellung zu sehen. Cindy Sherman war mit ihren unermüdlich phantasievollen fotografischen Selbstinszenierungen bekannt geworden. Dieses ihr jüngstes Werk verändert nun das bisherige Konzept.

1Die sechs Arbeiten stellen die Installationen menschlicher Körperteile dar, die von einer alptraumartigen Stimmung aus Tod und Verwesung umgeben sind. Fahle, bräunliche Farben herrschen in den Bildern vor, und noch etwas anderes an ihnen sticht ins Auge: Sie sind nämlich allesamt aus extremster Nähe aufgenommen, und jede Hautfalte, jede Blutschramme, jeder Dreckspritzer nimmt damit übergroße Dimensionen an.

Und doch: dieser scheinbar so to-

1tale und auswegslose Zwang zur Nähe birgt wiederum eigene, geheimnisvolle Verfremdungseffekte in sich, so daß Shermans Kunst den Charakter des Grauens zweifach auslotet: entlang der Grenze zwischen der Realität eines Mediendokuments und der eines Gruselmärchens. Und dieses Kunststück ist absolut sehenswert. Dorothea Schüler

Galerie Ascan Crone, Isestraße 121, Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr,

bis 30. 4.