Theater für Weltneulinge

■ Das Fundus-Theater eröffnet sein eigenes Kindertheater in Wandsbek

eröffnet sein

eigenes Kindertheater in Wandsbek

U-Bahn-Station Wartenau in Wandsbek. Einmal rechts, einmal links, kurz geradeaus. Beim unscheinbaren Flachbau Papenstraße 29 hängen Kinderbilder in den Fenstern. Hier wird es jetzt oft hoch hergehen. Kinder werden lachen, staunen, durch die Gänge toben. Die freie Kinder- und Figurentheatergruppe Fundus Theater hat hier nach 13 Jahren des Herumtingelns durch die ganze Bundesrepublik ein festes Domizil gefunden.

Bevor die Zuschauer den Theaterraum betreten, kommen sie an einer Sammlung von Kasperle-Figuren vorbei. Das wird ihr einziger Kontakt mit traditionellem Figurentheater bleiben. Die Fundus-Spielerinnen Sylvia Deinert und Tine Krieg benutzten den Kasper bisher nur in einer Produktion. Ansonsten haben sie mit Seid-ihr-auch-alle-da-Späßchen nichts zu tun. Dazu nehmen sie Kinder mit ihren Problemen viel zu ernst. Das von ihnen entwickelte Stück Familienalbum etwa befaßt sich mit sexuellem Kindesmißbrauch in der Familie. Ein anderes dreht sich um das vielleicht noch heiklere Thema „Tod“.

Aber auch von einem rein pädagogischen Botschaftstheater setzt sich die Gruppe ab. Dazu wiederum ist Deinert und Krieg, die Fundus 1980 gründeten, das Medium Figurentheater zu wichtig. Was die Gruppe auch jenseits von Jugendarbeit interessant macht, ist die Fähigkeit, zwischen themengebundener Arbeit und der Kunst des Figurenspiels zu vermitteln.

Bevor einem Stück Aufführungsreife attestiert wird, wurde es 10- bis 30mal vor Schulklassen probeweise aufgeführt. „Durch ihren Fernsehkonsum sind Kinder sehr dramaturgieerfahren“, sagt Sylvia Deinert. „Wir wollen Emotionen auslösen und die Klischees durchbrechen, mit denen die Weltneulinge in ihrer alltäglichen Umge-

1bung konfrontiert werden.“

Vor allem aber ihr künstlerischer Ruf ermöglichte Fundus die Einrichtung der festen Spielstätte. Die Kulturbehörde übernimmt die Miete. Die arrivierten Kollegen vom Schauspielhaus, Thalia-Theater und Kampnagel beteiligten sich mit Sachspenden. Umbau des Hauses, Gagen und Materialkosten müssen

1allerdings von der Gruppe selbst getragen werden. Klar ist, daß Fundus auch weiterhin durch die Republik touren muß, um das eigene Haus zu finanzieren.

Neben den Aufführungen werden dort auch Begleitveranstaltungen stattfinden. Im Juni sind in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen organisierte Aktionstage zum

1Thema Kindesmißbrauch fest eingeplant. Die erste Premiere in dem neuen Haus wird „Kreuzbildrätsel“ heißen. Ab dem Sommer wollen Deinert und Krieg diese Produktion erarbeiten. Klar ist schon, daß es um den Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation geht. Theater für Kinds-Köpfe. Durchaus auch für ältere. Dirk Knipphals