"Gröpelingen verschlurt"

■ Diskussion über "Kulturvereine & Drogen" / Über die Vernachlässigung des Stadtteils

„Gröpelingen verschlurt“

Diskussion über „Kulturvereine & Drogen“ / Über die Vernachlässigung des Stadtteils

„Ich verlange von Herrn Borttscheller, daß er sich bei den türkischen Kulturvereinen entschuldigt“ — dem Gröpelinger Änderungsschneider türkischer Abstammung war es sehr ernst damit. Doch Ralf Borttscheller, innenpolitischer Sprecher der CDU, entschuldigte sich nicht. Ende Februar hatte er für viel Unruhe im Stadtteil gesorgt, als er türkische Kulturvereine verdächtigte, sich nur zum Drogendealen gegründet zu haben. Der Weserkurier habe ihn falsch zitiert, so Borttscheller gestern: Er habe nicht von „allen“ Vereinen gesprochen, nur von „einigen“. Letzte Woche hat die Polizei in Gröpelingen zwei türkische Vereine wegen des Verdachts auf Drogendealerei geschlossen.

Rund hundert GröpelingerInnen waren gestern zusammengekommen, um über das Thema „Kulturvereine und Drogen“ zu diskutieren. Auf dem Podium unter anderen die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill, Polizeipräsident Rolf Lüken, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Peter Sakuth und Ralf Borttscheller (CDU). Eingeladen hatte die „Gröpelinger Runde“, ein Zusammenschluß, der das Miteinander der EinwohnerInnen aus fast 20 Nationen fördern will.

Das Pauschalurteil des Herrn Borttscheller fanden die ZuhörerInnen nicht so gut, stellte sich bald heraus. Schließlich lebe man in Gröpelingen mit den türkischen MitbürgerInnen sehr gut zusammen — Erinnerungen an die seligen AG-Weser-Zeiten kamen auf. Doch daß endlich mal einer was über die Zustände im Stadtteil sagte, dafür waren ihm viele dankbar. Gröpelingen „verschlure“ zu

nehmend, so eine Frau unter Beifall.

„Schönrederei“, diesen Vorwurf mußte sich der Polizeipräsident gefallen lassen, als er die aktuelle Straftats-Statistik vorstellte. Er hatte nämlich darauf hingewiesen, daß die Zahl der Rauschgiftdelikte in Göpelingen noch unte dem Bremer Durchschnitt liege. Allerdings wisse auch er, daß mit der Verdrängung der Drogenszene aus dem „Viertel“ viele Dealer und Abhängige in die Neustadt und nach Gröpelingen ausgewichen seien. „Die Stimmung ist schlechter, als wie manche SPD- Heinzis das meinen“, dröhnte es dem obersten Polizeibeamten da von einem 50jährigen ehemaligen AG-Weser-Arbeiter entgegen.

Damals, als die AG Weser geschlossen wurde, da hatte es angefangen, „daß Gröpelingen in einer Ecke verschlammt“. Die jungen Leute dort hätten überhaupt keine Chance mehr, und weil man nicht mehr im Großbetrieb zusammenarbeite, habe man auch keinen Zugang mehr zu allen Generationen und Volksgruppen. Eigentlich, so eine Frau vom Drogenhilfeverein, seien Arbeitslosigkeit und Woh

Karikatur

nungsnot viel größere Probleme als das Drogenproblem.

„Wofür haben wir eigentlich die Politiker“, schimpfte ein Rentner. Das war das Stichwort für all den Ärger der GröpelingerInnen. Daß die Sanierung zehn Jahre zu spät komme, daß Gröpelingen völlig vernachlässigt werde, daß es nur noch Ramschläden gebe — und dazu noch überall Hundescheiße. „Das hat nicht mit den Ausländern zu tun, das richtet sich gegen alle“, so eine Frau erbost. Ja, die SPD habe ihre Stammwähler vernachlässigt, „die wir doch sind“ — „waren“ kam es da aus allen Ecken.

Da mußte dann aber doch Sakuth von der SPD eingreifen, der selbst in Gröpelingen wohnt: Wie oft habe er erlebt, daß Gröpelinger BürgerInnen ihr Grundstück meistbietend verkauft hätten — daß ihnen der Gewinn lieber war als der Stadtteil. Sakuth lud zum Sanierungsbeirat ein.

Ihren Ärger hatten sie mal loswerden können, die GröpelingerInnen, der Anlaß der Diskussion, die „falschen“ Kulturvereine, ging fast etwas unter. Immerhin der Vorschlag, auch von türkischen Vereins-Vorsitzenden: Die Kul

turvereine könnten ihre Bücher und Mitgliedslisten offenlegen. Der türkische Zentralverband will sich beteiligen, um Mißverständnissen vorzubeugen. „In Bremen gibt es nämlich überhaupt keine Konflikte zwischen Türken und Deutschen. Es gibt aber organisiertes Verbrechen.“ cis