Nackte Damen, toter Vogel

Manchmal traut man im Theater seinen Augen nicht. Da inszeniert jemand 1993 mit einem Mann und vier untertänigen Frauen eine „Beziehungsgeschichte“, die all das stilisiert, was man eigentlich seit Jahren in seiner ganzen Verlogenheit als entzaubert annahm: die freie Liebe, das Gurutum und die esoterische Harmonie.

Glas heißt das Drama, vermeintlich inszeniert von Hinnerk de Groot auf Kampnagel und es gipfelt darin, daß die weiblichen Figuren, die die meiste Zeit des Stückes als New-Age-Nackedeis den Gefrierpunkt von Erotik unterschreiten, die ganze Zeit zu dem einzigen Zweck über und unter dem schräggestellten Glasboden umherhuschen, um den Mann zu verwirren. Um diesen Effekt zu erreichen, hätte man eigentlich auch nackte Mäuse nehmen können.

Aber seien wir nicht ungerecht: de Groot will uns mit Glas ja eine Geschichte über die Schwierigkeit erzählen, Kontakt zu bekommen. Dazu wird dann in einem langen Filmausschnitt zur Freude aller Leser des Päderasten-Magazins Sonnenfreuden gezeigt, wie vorpubertäre, nackte Kinder durch eine Plexiglaspyramide irren und immer im entscheidenden Moment an eine Glasscheibe stoßen. Wie poetisch.

Derselbe platte Symbolismus setzt sich auch auf der Bühne fort. Immer hindert das Glas die Leidenschaft. Von ähnlich hoher Qualität sind auch die anderen Bilder: Nackte Damen gefangen im Stacheldraht-Geviert, toter Vogel, der im Stacheldraht zappelt und esoterische Fetische in Plastikausführung.

Dieses Gemenge aus restringiertem New-Age-Code und unverhohlenem Freak-Chauvinismus ist neben seiner reaktionären Symbolik zudem in seiner gläsernen Einspurigkeit noch quälend langweilig. Ein Verbrechen gegen den Theaterbesucher. Till Briegleb