Gruppenarbeit: Manche werden krank vor Angst

■ Autozulieferer OZET in Lilienthal stellt derzeit die Produktion um / Zweck: „just in time“ für Mercedes

Lieber Dieter:

bitte skrupellos

auf2spaltig

abschneiden:

Fabrik

Der Zimmermannsche Pausenhof

Herr Janz sitzt nicht hinter einer ledergepolsterten Doppeltür — Herrn Janz kann man durch eine Glastür bei der Arbeit besichtigen. Trotzdem ist Detlef Janz ein Chef, nämlich der Geschäftsfüh

rer der Kabelfabrik Otto Zimmermann GmbH (OZET) in Lilienthal, einer Tochter der Leonischen Drahtwerke in Nürnberg. OZET stellt Kabelbäume für Mercedes her.

Neu sind nicht nur die gläsernen Türen, neu ist das gesamte Konzept der Firma — Gruppenarbeit. Das fängt bei der Architektur an: Für kurze Wege statt langer Flure sorgt ein offener achteckiger Turm mit Glaskuppel; und auf den Bänken rund ums Haus sollen sich in den Pausen die Büroangestellten und die Arbeiterinnen näherkommen.

Das neue Gruppendenken hat natürlich einen ökonomischen Zweck: OZET will „just in time“ produzieren. Wenn bei Mercedes ein Roadster gefertigt wird, für den sich die Kundin Airbag und Anhängerkupplung wünscht, muß bei OZET innerhalb von drei Stunden der entsprechende Kabelbaum zusammengebaut werden. Würden die Handgriffe nacheinander ausgeführt (am Band), dauerte das drei Tage. Für die bald 280 Arbeiterinnen bedeutet Gruppenarbeit, daß sie in einen gemeinsamen Topf wirtschaften. Akkord- Olypioniken müssen eine Einbuße hinnehmen, die „Schwächeren“ profitieren.

Gruppenarbeit habe eindeutig Vorteile, findet Betriebsrätin Annelie Blendermann: Die Frauen können während der Arbeit miteinander reden; die Arbeit ist nicht mehr so einseitig; die gesundheitsschädigende Jagd nach höherer Akkordleistung wird eingedämmt, da die Gruppe selbst die Leistung festlegt; das Selbstbewußtsein steigt mit der komplexeren Tätigkeit.

Doch längst nicht alle Arbeiterinnen sind von der Gruppenarbeit begeistert. Vor allem die langjährigen Mitarbeiterinnen haben viele Ängste. Manche wäre lieber bei der gleichförmigen, aber bekannten Einzelarbeit geblieben. Die Krankheitsquote sei während der Umstellung immens gestiegen, so die Betriebsrätin.

Völlig neu ist für die Frauen auch die Institution einer Gruppenleiterin. Zur Zeit schlagen die Gruppen die „Koordinatorin“ vor, und die Chefs entscheiden. Langfristig strebt der Betriebsrat die Wahl durch die Gruppe an. Nur über die Zusammensetzung der 7-bis 12-köpfigen Gruppen sollen die Frauen weitgehend selbst bestimmen. Trotzdem rechnet der Betriebsrat mit vielen Beratungsgesprächen: Da wird die eine sagen, „die Kollegin zieht nicht mit“, die andere wird dagegen klagen, daß sie untergebuttert werde, vermutet der Betriebsrat.

Derzeit arbeiten bereits zwei Gruppen, bis zum Jahresende sollen es zwölf sein. Noch werden MitarbeiterInnen gesucht. Doch die Rationalisierung hat 1992 schon 100 Arbeitsplätze gekostet. In Portugal, Tunesien und seit letzter Woche auch in der Tschechei stellen rund 500 ArbeiterInnen Kabel für das bremische OZET-Werk her. Christine Holch