Aus dem Genlabor in die Bürgerschaft

■ SPD und Grüne fordern öffentliche Diskussion über genehmigtes Gentechnik-Verfahren an der Bremer Uni

Die Einführung von gentechnischer Forschung an der Universität Bremen soll öffentlich diskutiert werden. Das fordern Fraktionsmitglieder von SPD und Grünen, die sich mit dem Verwaltungsvorgehen nicht zufriedengeben wollen. Bei beiden Parteien steht das Thema „Genlabor an der Uni“ am Montag auf der Tagesordnung der Fraktionssitzung. Und: „Wir wollen eine kleine Anhörung in der Bürgerschaft anregen“, sagt Bringfriede Kahrs, SPD-Mitglied der Wissenschaftsdeputation.

Vergangene Woche hatte der Senator für Gesundheit die Genehmigungen für den Bau von Labors an der Uni Bremen gegeben, in denen Viren und Bakterien gentechnisch manipuliert werden sollen. Als Teil des geplanten 60-Millionen-Mark- Projekts „Institut für Umweltforschung und Umwelttechnik“ stehen die Forschungsvorhaben bereits fest: die Erbanlagen der AIDS-Erreger HIV und der Gelbsucht-Erreger Hepatitis-A sollen isoliert und in Kolibakterien eingepflanzt werden. Ihr Wachstum in der Zelle soll Aufschluß über das Verhalten von HIV- und Gelbsuchterregern geben, um sie effektiver bekämpfen zu können.

Angelika Vallbracht, Professorin für Virologie an der Uni, kämpft gegen das Frankenstein- Image der Gentechnik: „Wir benutzen die Gentechnik nur als Hilfstechnik zur medizinischen Forschung, nicht um ihrer selbst willen.“ Auf einer laut Gentechnikgesetz möglichen Skala von 1 bis 4 sind in Bremen einige Labors mit Sicherheitsstufe 2 und ein Arbeitsraum mit Sicherheitsstufe 3 genehmigt worden: „Das ist quasi ein geschlossenes System“, sagt Vallbracht. „Es wird kein Abwasser, keine Abluft nach außen gegeben, im Raum herrscht Unterdruck, und für die Mitabeiter gibt es eine Schleuse.“ Sie beklagt eine „nebulöse Angst“ vor der Gentechnik und klagt, daß GenkritikerInnen oft nicht bereit seien, in Genehmigungsverfahren mitzuarbeiten.

Eine öffentliche Diskussion vermißt Antje Büssenschütt vom Bremer Gesundheitsladen aber gerade. „Mit der Gentechnik werden völlig neue Wege beschritten. Ich bezweifele den Erfolg dieser Verfahren und denke, daß die Gefahren in Richtung 'Mensch nach Maß' wesentlich größer sind als der Nutzen, den diese Technik bringt.“

Formell ist das Genehmigungsverfahren korrekt abgelaufen. Nach Prüfung der Anträge wurde die Genehmigung erteilt, gegen die jetzt vier Wochen lang die Widerspruchsfrist läuft. Laut der „GentechnikAnhörungsverordnung“, erläutert Jürgen Nuschke vom Gesundheitsressort, müsse nur bei Genehmigungsverfahren für gewerbliche Anlagen zur Genmanipulation oder bei Freilandversuchen eine öffentliche Anhörung vorgeschaltet sein. Bei Forschungseinrichtungen sei das nicht nötig.

An juristischen Widerspruch denkt deshalb auch Bringfriede Kahrs (SPD) nicht. „Es gibt für die Gentechnik ja Pro und Contra. Aber die Politik muß diese Frage diskutieren und die Entscheidung der Verwaltung möglicherweise aufschieben oder zurückholen.“ Noch vor kurzem sei für sie klar gewesen, daß es Gentechnik nie in Bremen geben werde, doch das Argument des Technologierückstandes und der Fortschritte in der medizinischen Forschung sei „nicht von der Hand zu weisen.“

Auf ihrer Sitzung am 10.Juni will sich die Wissenschaftsdeputation mit dem Thema befassen. Am Donnerstag wurde das Thema zwar besprochen, doch fehlten genaue Informationen. Ein generelles Abkoppeln von der Gentechnik für Deutschland findet Elisabeth Motschmann (CDU), Sprecherin der Deputation, „unverantwortlich, weil wir uns damit auch von der ethischen Diskussion abkoppeln.“ Das Problem sei eine ethische Grenzsituation; der Schöpfung ins Handwerk pfuschen will die konservative Christin höchstens bei der medizinischen Forschung wie in Bremen praktiziert, keineswegs bei der Anwendung am Menschen.

Eine Entscheidung „unter der Hand, einfach so“ will auch der Grüne Hermann Kuhn, stellvertretender Deputationssprecher, nicht hinnehmen. Bei der Diskussion über den Neubau an der Uni sei nicht ersichtlich gewesen, daß sich mit der Gentechnik eine wissenschaftspolitische Frage von solcher Bedeutung in dem Projekt verberge. Bernhard Pötter