: Zur Verteidigung der Rechtsordnung in den Bau
■ Vermehrt Haftstrafen für Steinewerfer Oberstaatsanwalt: Keine „neue Praxis“
Moabit. Pünktlich zum 1. Mai haben Moabiter Richter zum großen Schlag gegen das Steinwerfer- Verbrecher-Syndikat ausgeholt: Sowohl Amts- als auch Landgericht verhängten vergangene Woche Haftstrafen wegen schweren Landfriedensbruchs, begangen bei den Krawallen am 1. Mai 1992 in Kreuzberg. Das Amtsgericht verurteilte einen Mann, der einen Stein in Richtung eines Polizeifahrzeuges geworfen haben soll, zu 15 Monaten ohne Bewährung. Das Landgericht verschärfte in einem anderen Verfahren das Urteil aus erster Instanz, in dem es aus einer Bewährungsstrafe für einen Steinwurf auf Polizisten eine neunmonatige Knaststrafe machte.
Das Bemerkenswerte: In beiden Fällen hatten nach Angaben von Justizsprecher Rautenberg nicht vorbestrafte Ersttäter vor dem Kadi gestanden. Die Strafen hätten somit sehr wohl zur Bewährung ausgesetzt werden können. Die Gerichte wollten aber ganz offensichtlich Exempel statuieren und bedienten sich dazu der Ausnahmevorschrift des Paragraphen 56 Strafgesetzbuch (StGB). Wenn es die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete, heißt es dort, brauche auch die Mindeststrafe von sechs Monaten bei schwerem Landfriedensbruch nicht zur Bewährung ausgesetzt zu werden.
Sind diese übereinstimmenden Urteile das Produkt einer Absprache? Justizsprecher Rautenberg verwahrte sich gegenüber der taz entschieden gegen eine Meldung der Nachrichtenagentur ADN, wonach im Vorfeld der Mai-Demonstrationen eine „neue Moabiter Gerichtspraxis eingeführt“ worden sei. Die Richter seien unabhängig, betonte Rautenberg. Richtig sei jedoch, daß im letzten Vierteljahr eine „neue Praxis“ der Rechtsprechung bei einigen Gerichten bezüglich Steinwürfen zu beobachten sei. Neue Praxis im Sinne von Haft- statt Bewährungsstrafen für Ersttäter zur „Verteidigung der Rechtsordnung“.
Oberstaatsanwalt Carlo Weber, der als Leiter der sogenannten Extremismus-Abteilung für alle Verfahren in Sachen schwerer Landfriedensbruch zuständig ist, hält den Begriff „neue Praxis“ dagegen ganz entschieden für zu hoch gegriffen. Ginge es nach Weber, dann müßten alle, die bei Krawallen mit Steinen auf Menschen geworfen haben, zur Verteidigung der Rechtsordnung in den Bau wandern. Damit liegt Weber voll auf Linie der Generalstaatsanwälte, die ihre Untergebenen unlängst angewiesen hatten, in ihren Strafanträgen verstärkt vom Paragraphen 56 Gebrauch zu machen. Die jüngsten Urteile stimmen Weber jedoch optimistisch: „Wir sehen Licht im Tunnel.“ Glaubt er wirklich an die abschreckende Wirkung von Haftstrafen bei Krawallen? „Bei Mitläufern schon“, meint er: „Aber den autonomen Kern werden wohl auch solche Preise nicht beeindrucken.“ plu
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