Autonome gehen am 1.Mai neue Wege

■ Teile der autonomen Szene wollen sich von Mai-Demo fernhalten / K-Gruppen dominieren die Vorbereitungen

Berlin. Die traditionelle 1.-Mai- Demonstration der autonomen Szene wird möglicherweise mit deutlich weniger Teilnehmern aufwarten als noch in den Jahren zuvor. Wie die taz aus autonomen Kreisen erfuhr, haben große Teile der Szene angesichts der Dominanz von orthodoxen und marxistisch-leninistischen Gruppierungen während der Vorbereitungsphase resigniert und wollen dem Marsch diesmal fernbleiben. Nach den vorläufigen Planungen soll die Demonstration am Samstag um 13 Uhr auf dem Oranienplatz in Kreuzberg beginnen und von dort aus zum Rosenthaler Platz in Ostberlin führen.

Hintergrund des Streits sind seit langem anhaltende Differenzen zwischen K-Gruppierungen mit Teilen der sich als undogmatisch begreifenden autonomen Szene. Erst am Donnerstag letzter Woche scheiterte der Versuch autonomer Gruppen, auf einer Vollversammlung (VV) im Kreuzberger Mehringhof eine eigenständige Diskussion über das Motto der Demonstration zu führen. Nach Angaben einer Teilnehmerin hätten ML- Mitglieder die Veranstaltung „regelrecht sabotiert und zum Kippen gebracht“. Viele Symphatisanten der autonomen Szene, so ihr Eindruck, würden daher der Demonstration dieses Jahr fernbleiben. Um sich nicht vereinnahmen zu lassen, wollen die undogmatischen Autonomen einen eigenen Block bilden.

Bereits am 1. April war es auf einer VV im Mehringhof zu einem Eklat gekommen, als autonome Anhänger das Plenum wegen der Anwesenheit des „Revolutionary Internationalist Movement“ (RIM) sprengten. Zwischen Anhängern der RIM – in der unter anderen die stalinistisch ausgerichtete türkische TKP/ML vertreten ist – und Autonomen war es häufiger zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Zuletzt hatten beide Lager auf einer Demonstration am 5. Dezember mit Latten aufeinander eingeschlagen.

Seit Wochen wird der Konflikt zwischen K-Gruppen und Autonomen in der Zeitschrift Interim öffentlich ausgetragen. Während K-Gruppen und als „autonome Kommunisten“ firmierende Anhänger den Autonomen vorwerfen, eine Spaltung der Szene herbeizuführen, und sie als „Konterrevolutionäre“, „Antikommunisten“ und „AL-Autonome“ beschimpfen, wird in einem von undogmatischen Autonomen herausgegebenen Flugblatt festgestellt, daß man sich nicht mehr unter einem „diffusen ,Wir‘-Begriff“ auf einer 1.-Mai-Demonstration sammeln wolle. Es gebe, so heißt es im Flugblatt, „kein einheitliches Feindbild“ mehr. O-Ton: „Die Fronten verlaufen zu Recht oft auch mitten durch das, was als ,unsere Reihen‘ bezeichnet wird.“ Hinzu kommen Differenzen mit der Szene im Prenzlauer Berg, die sich von den orthodoxen Kräften übergangen fühlt und auf dem Käthe-Kollwitz-Platz im Bezirk ein Straßenfest organisieren will.

Ungeachtet der Streitigkeiten in der Szene erklärte gestern Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) im Innenausschuß, daß die Polizei auch dieses Jahr auf der 1.-Mai-Demonstration mit Gewalt von autonomer Seite rechne. Vorsorglich würden daher auch Bundesgrenzschutz und Mitglieder der Freiwilligen Polizeireserve (FPR) an diesem Tag aufgeboten werden. Severin Weiland