DGB-Chef Gehricke schmeißt hin

■ Nord-DGB-Boß Klaus Gehricke räumt seinen Chefsessel vorzeitig / Aufatmen bei Norddeutschlands Einzelgewerkschaften

Klaus Gehricke räumt seinen Chefsessel vorzeitig / Aufatmen bei Norddeutschlands Einzelgewerkschaften

Klaus Gehricke, umstrittener Chef des DGB-Bezirks Nordmark, wird nach taz-Informationen seinen Posten vorzeitig zum 1. Juni räumen. Der Ex-Polizist und Engholm- Spezi hat für eine weiche Landung gesorgt: Er wird Chef des gewerkschaftseigenen Automobilclubs Europa (ACE) in Stuttgart.

Nach Insider-Aussagen hätte Gehricke trotz allseits beklagter Unfähigkeit durchaus gute Chancen gehabt, im Februar 1994 von den Delegierten der Einzelgewerkschaften wiedergewählt zu werden. Der in Hamburger Gewerkschaftskreisen als wendiger Opportunist aufgefallene Gehricke konnte jedoch nicht mehr ausschließen, daß sich in letzter Sekunde doch noch ein Putschkommando zusammenfinden würde.

Schließlich hatte ihm der mächtige norddeutsche IG-Metall-Chef Frank Teichmüller im Februar mit Karin Roth eine karrierebewußte Stellvertreterin beigestellt. Gehrikkes feine Nase witterte auch, daß Engholm, in dessen Schatten er noch gerne ein bißchen weiter treppauf gesegelt wäre, inzwischen zum Karriere-Risiko für seine Fans mutierte. Mächtige Einzelgewerkschaften, wie etwa die ÖTV, die IG-Metall, die HBV oder die IG Chemie, hatten zuletzt immer heftiger über die Untätigkeit und den Reformwiderwillen von Gehricke geschimpft, unter dessen Regie die 28köpfige DGB-Nord-Crew im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof zu einem verängstigten Mauschelclub mutierte.

Alles spricht jetzt dafür, daß

1Teichmüllers Karin Roth Gehricke beerben kann. Der Shooting-Star unter Norddeutschlands GewerkschaftsfürstInnen trifft auf eine günstige Ausgangslage. Als Gehrickes Stellvertreterin rutscht sie jetzt an die Spitze und kann bis zum Wahltag im Februar 1994 mühelos punkten. Anders als Gehricke, der seine konzeptionellen Schwächen hinter Terminhatz, Reisen und Stehempfängen zu verbergen suchte, ist

1Roth in Teilen des neuen Hamburger SPD-Establishments (Traute Müller, Fritz Vahrenholt) bereits zuhaus und wird dem DGB Nordmark in der Nordmetropole Hamburg wieder etwas mehr Präsenz verschaffen.

Noch 1991 hatte Gehricke der taz vollmundig ins Reporterheft diktiert, sein größtes Anliegen sei: „Global denken, lokal handeln, kommunalpolitisch handlungsfähig

1werden“, kurz, die Kompetenz erwerben für eine aktive „gesamtgesellschaftliche Politik“. Selbst in Gehrickes Umkreis lösen solche Zitate heute nur noch Gelächter aus. Als sich am Wochenende die Nachricht seines Rückzugs verbreitete, löste Gehricke zum ersten Mal seit langem in Gewerkschafterkreisen wieder Freude aus. Kommentar eines Kollegen: „Der Besenbinderhof atmet auf.“ Florian Marten