Sauerstoffloch in der Elbe breitet sich aus

■ Trotz verringerter Industrieabwässer aus der Ex-DDR im Elbwasser bedroht eine verstärkte Algenblüte den Fischbestand

den Fischbestand

Für die Elbfische wird es immer kritischer. Im Sauerstoffloch zwischen Blankenese und Wedel ist der Gehalt des lebensnotwendigen Gases in der Fahrrinne bereits auf 2,5 Milligramm pro Liter gesunken. Ein Gehalt von weniger als drei Milligramm Sauerstoff pro Liter ist für Fische bedenklich. Noch ist der Mangel auf 15 Kilometer Fahrrinne beschränkt, die Flußtiere können elbauf- oder -abwärts und in Nebengewässer flüchten. Bei anhaltend warmem Wetter wird sich die kritische Zone weiter ausdehnen, und dann droht Fischsterben.

Schuld am Sauerstoffmangel sind das Wetter, die Biologie und nicht zuletzt Abwässer. Die Elbe heizt jetzt mit bereits 18 Grad den Bakterien ein. Und diese zersetzen in rasantem Tempo organische Stoffe aus häuslichen Abwässern und abgestorbenen Algen und verbrauchen dabei Sauerstoff. Die Algen wiederum gedeihen prächtig, seit in der Ex-DDR Industrietriebe stillgelegt wurden, die den Fluß vorher mit Schadstoffen überlastet hatten.

Vor der Wende hätten industrielle Einleitungen der Algenvermehrung einen „chemischen Dämpfer“ aufgesetzt, erklärt Thomas Gaumert von der Wassergütestelle Elbe. Nicht nur der Produktionsrückgang in den neuen Ländern hat beim Phytoplankton zur Massenproduktion geführt. Die Flußalgen sind mit Nährstoffen aus kommunalen Abwässern im Übermaß versorgt. Elbstädte wie Magdeburg und Dresden leiten ihre Kloake weiterhin nur unzureichend geklärt in den Fluß. Die neuen Algenblüten der Elbe tragen stromabwärts, wo sie von Bakterien abgebaut werden, zum Sauerstoffmangel bei.

Dazu kamen drei extrem trockene und schneearme Jahre, von der Oberelbe fließt weniger Wasser herunter als normal und die Verdünnung durch Regen fehlt. „Das Wasser tritt auf der Stelle“, so Gaumert. Es verweilt länger in der Unterelbe als sonst. In der trägen Brühe kommt es vermehrt zur sogenannten biologischen Selbstreinigung, mikrobiellem Abbau, der den Sauerstoff aufzehrt.

Das Algenwachstum hat aber auch erfreuliche Folgen. „Die gesamte Lebewelt hat sich verbessert“, berichtet Fischereibiologe Gaumert. „Seit der Wende beobachten wir umfangreiche Jungfischschwärme, die wir vorher nie gesehen haben.“ Hechte, Aale, Zander, Stichlinge, Karpfen, Flundern, Brassen und Lachse haben Zuwachs, weil sich dank gutem Algenfutter auch ihre Nährtierchen, die Kleinkrebse, vermehrt haben.

Die geplante Unterelbevertiefung könnte die biologische Wende in der Elbe zurückwerfen. Denn je tiefer der Fluß ausgebaggert wird, desto größer wird die lichtfreie Zone. In der trüben Elbe ist nur der obere Meter hell, darunter ist es stockfinster. Aber nur im Licht produzieren Algen Sauerstoff, im Dunklen verbrauchen sie es ebenso wie Bakterien.

Die Elbe braucht Luft, fordert der Naturschutzbund (NABU). Die Belastung mit ungeklärten Abwässern müsse schnell und umfassnd verringert werden, um die Voraussetzung für Algenblüten zu beseitigen. Außerdem dürfe der Fluß nicht weiter vertieft werden. Das weitere Ausbaggern würde nicht nur die Sauerstoffbilanz zusätzlich belasten, so Dr. Manfred Prügel vom NABU. Durch die Vertiefung würden Flachwasserzonen trockenfallen und damit wichtige Rückzugsräume der Fische verloren gehen. Vera Stadie