Autoreifen zerstochen

■ Angeklagt: Exfrau / Zehnjährige Täterin soll gegen die Mutter aussagen

soll gegen die Mutter aussagen

Eine Gerichtsverhandlung wirkt auf viele Menschen bedrückend, und erst recht auf Kinder. Umso unverständlicher, warum es die Hamburger Justiz für notwendig hält, Auswirkungen einer Scheidung zur Verhandlung kommen zu lassen und die zehnjährige Nadine als Zeugin gegen die Mutter zu laden. Angeklagte ist die 33jährige Petra G. wegen Sachbeschädigung. In ihrer Anwesenheit soll Nadine die vier Autoreifen des früheren Ehemannes mit Dosenöffner und Schraubenzieher zerstört haben. In der Regel wird versucht, Familienzwistigkeiten gerade während eines laufenden Scheidungsverfahrens vom Jugendamt oder den sozialen Diensten klären zu lassen.

Nadine, die vor der Verhandlung noch fröhlich im Gerichtsflur getobt hatte, bricht in Tränen aus, als sie vor dem schwarzgekleideten Richter Kob sitzt. Sie wagt nicht, zu ihm aufzublicken und kauert sich neben ihrer Mutter auf der Anklagebank zusammen. Die inzwischen geschiedene Hausfrau ist genauso aufgeregt wie ihre Tochter. Doch sie kann sich hinter einer gewissen Grobheit verstecken. Zur Sache sagt sie: „Ich war nicht dabei, als Nadine die Reifen zerstochen hat.“

„Du brauchst dich nicht zu schämen“, versucht der junge Richter Kob Nadine zu einer Aussage zu überreden, „ich habe das auch schon einmal gemacht.“ Aber: „Wenn deine Mutter etwas Böses getan hat, was das Gericht nicht wissen soll, mußt du nichts sagen.“ Doch Nadine beteuert schluchzend, ihre Mutter sei nicht dabei gewesen. Dann schweigt sie.

Eine Polizistin, die als Zeugin gehört wird, weil sie Nadine vernommen hatte: „Sie hat schon damals nicht so geplaudert, wie Kinder sonst plaudern.“ Es sei offensichtlich, daß hier ein Problem zwischen Vater und Mutter auf dem Rücken der Tochter ausgetragen wird. Eine gewisse Rolle spielt ein Brief, den Richter Kob aus Rücksicht auf das Mädchen jedoch nicht vorliest. „Der bezieht sich aber auf eine andere Sache“, sagt Petra G. und meint damit den anderen Vorfall, der ebenfalls vor Gericht ausgetragen worden war. Das Verfahren wurde damals eingestellt.

Auch dieses Mal sind sich alle Beteiligten einig, daß die Aussagen nicht für eine Verurteilung ausreichen. Petra G. wird freigesprochen. „Damit die Tochter nicht belastet wird“, begründet Richter Kob. Torsten Schubert