Die Rache des Richters

■ Wg. geplatzter Urteilsverkündung: Punk mußte für einen Tag in den Knast

: Punk mußte für einen Tag in den Knast

Amtsrichter Harm Beyer, Dopingbeauftragter des Internationalen Olmypischen Komitees (IOC), hat mal wieder bei einem Zwischenstopp in Hamburg sämtliche Register seiner Macht gezogen: Kurzerhand brummte er gestern dem Angeklagten Dag N. einen Tag Knast als Ordnungsstrafe auf, weil er den Gerichtssaal verlassen hatte.

Dag N. war ursprünglich wegen Schwarzfahren und Körperverletzung angeklagt, da er angeblich in der S-Bahn gegen zwei Schwarze Sheriffs Widerstand geleistet haben soll. In Wahrheit hatte der punkige Mann aber einen Fahrschein gehabt, als er am 9. Dezember 1992 von den beiden Wachmännern im S-Bahnhof Stadthausbrücke kontrolliert wurde. Nur weil dieser Schein zerknüllt war, wollten ihn die beiden nicht anerkennen. Sie schlugen ihm das Ticket aus der Hand, hauten ihm die Brille von der Nase und zerrten ihn aus dem Zug. Auf dem Bahnsteig warfen sie N. dann zu Boden, fesselten ihn in Handschellen und schlugen später in dem Wachhäuschen auf ihn ein. Nur weil zwei zufällig anwesende Zeugen die Polizei alarmierten, da sie um die Gesundheit des Mannes fürchteten, erlitt Dag N. wohl keine weiteren Verletzungen. Diese Zeugen übergaben den Polizisten dann auch die kaputte Brille und den gültigen Fahrschein.

Vor Gericht verstrickten sich die Sheriffs in totale Widersprüche. Anwalt Manfred Getzmann: „Die haben von vorn bis hinten gelogen.“ Als Harm Beyer den Angeklagten am vergangenen Freitag dann auch nicht wegen Körperverletzung, aber wegen angeblicher Beleidigung zu 600 DM Geldstrafe verurteilte, kam es zu Tumulten. Der Vater des Angeklagten rief: „Ich werde krank, wenn ich diesen Rechtsstaat sehe.“ Harm Beyer ließ den Saal räumen und verwies auch mit einer Schimpftirade Mutter N. des Saales. Getzmann: „Der Richter hat völlig die Kontrolle über sich verloren.“ Weil Dag N. die Pöbeleien vom Richtertisch gegen seine Mutter nicht ertragen konnte, verließ auch er den Saal. Die Verhandlung platzte während der Urteilsverkündung. Gestern sollte der Urteilsspruch nun in ruhiger Atmosphäre beendet werden. Doch der selbstherrliche Jurist setzte zur Rache an. Wegen der verpatzten Urteilsverkündung mußte Dag N. den gestrigen Tag im Knast verbringen. Gegen die Schwarzen Sheriffs wird Getzmann nun einen Strafantrag wegen Falschaussage und Körperverletzung stellen. Kai von Appen