Jeder 4. beraubt oder vergewaltigt

■ Erschreckende Zahlen über Gewalt gegen Homosexuelle / 27 Morde in 12 Jahren

Jeder 4. beraubt oder vergewaltigt

Erschreckende Zahlen über Gewalt gegen Homosexuelle / 27 Morde in 12 Jahren

Etwa jeder vierte Schwule in Niedersachsen wurde wegen seiner Homosexualität schon einmal beraubt, überfallen, erpresst oder vergewaltigt. 61 Prozent wurden ein- oder mehrmals beleidigt oder bedroht. Im Zeitraum von 1979 bis 1991 wurden 27 Schwule getötet. Das geht aus einer bundesweit einmaligen Studie hervor, die Sozialminister Walter Hiller (SPD) in Hannover vorstellte. Ein Jahr lang untersuchte der Berliner Journalist Jens Dobler das Ausmaß antischwuler Gewalt.

Für seine Studie wertete Dobler 234 Fragebögen aus, untersuchte in der Presse e Fälle und befragte Schwule, Betroffene oder Polizeiexperten. Der Begriff „antischwule Gewalt“ schließe auch Gewalt gegen solche Personen ein, die von den Tätern lediglich für schwul gehalten werden. Andererseits seien Fälle von Schwulen, die unabhängig von ihrer Sexualität etwa zufällig Gewaltopfer wurden, nicht in die Studie aufgenommen worden.

Die Liste der Gewaltformen wird nach Doblers Untersuchung angeführt von Bedrohung (22,9 Prozent), Zusammenschlagen ohne Raub (19,8), Beleidigung (18,5) und schwerer Körperverletzung (13,7).

ie Dunkelziffer liege für Beleidigungen bei 90, für schwerere Übergriffe bei 80 Prozent. Dobler geht von einer Verschärfung antischwuler Gewalt aus. Seine sozialempirisch nicht repräsentative Studie kommt für die Jahre 1991/92 auf eine Verdopplung der Fälle im Vergleich zum Zeitraum 1984 bis 1990.

Als Folgen der Gewalt sind die Opfer nach Doblers Studie zu 28 Prozent „allgemein vorsichtiger geworden“. Etwa zwölf Prozent der Befragten litten unter Angst oder Depression. „35 Prozent schränken ihr schwules leben in irgendeiner Weise ein“, etwa bei Kontakten in der Öffentlichkeit. Nach Ansicht Doblers und des hannoverschen Sexualwissenschaftlers Helmut Kentler sollte sich an diese Studie eine Untersuchung der Motivation der Täter etwa mit Tiefeninterviews anschließen.

In Niedersachsen leben nach Angaben Hillers rund 300.000 Schwule und Lesben, was einem Anteil an der Bevölkerung insgesamt von vier bis fünf Prozent entspräche.

Die Studie solle Grundlage für die weitere Arbeit des Ministeriums sein. Jede Art von Gewalt gegen Homosexuelle sei zu bekämpfen. Das ganze Sexualstrafrecht müsse reformiert werden, meinte der Minister. Es sei eine „Schande für diese Gesellschaft“, daß der sogenannte Schwulen-Paragraph 175 noch immer im Strafgesetzbuch stehe.

dpa