Bilder für die Eisenbahn

Die Ausstellung »Metamorphosen« zeigt Grafiken, Gemälde und Comics des Italieners  ■ Lorenzo Mattotti

in der Speicherstadt

„Wenn sie mal ganz andere Comics sehen wollen, müssen Sie unbedingt die Mattotti-Ausstellung in der Speicherstadt anschauen. Ich jedenfalls fand die Bilder ganz phantastisch ...“, würde Birgit Schanzen im N3-Alles-ist-toll-Magazin Rund um den Michel schwärmen — die „Prinzessin des NDR“ (Schanzen über Schanzen) könnte diesmal recht haben.

Der italienische Maler und Grafiker Lorenzo Mattotti, Jahrgang ‘59 und bereits mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft, fasziniert mit farbintensiven Kreide- und kargen Federzeichnungen, die man kaum mehr dem Genre Comic zuordnen kann. Nicht umsonst gilt er als einer der radikalsten Erneuerer der Szene. Von Zack!-Peng!-Boing!-Geschichtchen keine Spur.

Die nur selten eingesetzten Sprechblasen beschneiden Mattottis Werke geradezu, sie muten mehr wie der Versuch an, Comic nachzuahmen, denn als notwendiges Stilmittel. Folglich nennt Mattotti als seine Triebfeder die Suche nach einem „neuen Alphabet“, und seine Sprache bedarf in der Tat zumeist keiner Worte. Symbolik wird groß geschrieben. Ein sinkendes Schiff als Sinnbild des Endes der Welt: Schornsteine wirken wie ein Meer aus Hochhäusern, das die Fluten hinabgleitet. Im Mittelpunkt der Zeichnungen stehen zumeist aber Menschen. Einsam sitzen sie an Bars, blicken auf leere Straßenschluchten, auf Hafenanlagen oder starren versteinert vor sich hin.

Die Werkschau zeigt neben Comics auch Gemälde und Illustrationen, darunter diverse Auftragsarbeiten. So zeichnete Mattotti schon für die Italienische Eisenbahn, Mode-Zeitschriften, Werbeagenturen und die Süddeutsche Zeitung. Ein Manko der Ausstellung: Die großformatigen, in dunklen Tönen gehaltenen Gemälde kann man leider keiner ganz genauen Betrachtung unterziehen — außer dem eigenen und dem Spiegelbild des Raumes ist nicht viel zu erkennen. Auch die Präsentation der übrigen Bilder ist ein wenig lieblos. Sie müssen ihr Dasein in naturbraunen Ikea-Holz-Rahmen fristen, die stark an Kinderzimmer erinnern. Vielleicht Absicht, schließlich haben die Comics ja genau dort ihren unaufhaltsamen Siegeszug begonnen. Gregor Gerlach

Noch bis zum 13. Juni, täglich 11—18 Uhr, Diener Reihe 2; zur Ausstellung erschien ein Katalog in der „Edition Kunst der Comics“