Frühstück bei Lene

Verein Straßenarbeiter kümmert sich seit fünf Jahren um Alte

Ein paar letzte Krümel stibitzt sich Lene vom Teller ihrer Nachbarin. Die 87jährige nimmt noch einen Schluck Kaffee, setzt die Tasse wieder ab und sagt deutlich: „Da hat er etwas Richtiges gesagt.“

Gemeint ist Peter Schaefer, einer von sieben Mitbewohner bei Lene, die sich rund um die Uhr um die Pflege der alten Frau kümmern. Es ist Frühstückszeit in dem Haus in der Hildesheimer Straße. „Normalerweise würde Lene jetzt in irgendeinem Bett liegen, am Tropf, vollgepumpt mit Medikamenten“, vermutet Schaefer. Die alte Frau ist geistig verwirrt, das übliche Netz der Altenpflege kann solche Fälle längst nicht mehr angemessen auffangen.

Gertrud war auch so ein Fall. Als die ersten Straßenarbeiter vor fünf Jahren Gertrud kennenlernten, lebte die Frau allein in ihrem Haus. „Im Keller waren die Ratten, überall stank es nach Urin, und einmal am Tag kam eine Pflegekraft und wusch Gertrud mit reinem Sagrotan“, erzählt Schaefer. Die Straßenarbeiter haben sich gegen die Angehörigien durchgesetzt, die lieber einen Heimaufenthalt wollten, und nach langem Hin und Her auch schließlich Pflegegelder bekommen. Aus der Privatinitiative ist mittlerweile ein Verein geworden. Die Grundidee: Mehrere junge Leute kümmern sich um die Pflege eines alten Menschen. Dafür erhalten sie Wohnraum und ein minimales Pflegegeld. Lene ist die dritte Frau, die mit den Straßenarbeitern lebt. „Unsere Verantwortung ist riesig“, erklärt Schaefer, „weil wir den Horizont dieser Frau bestimmen. Wenn wir etwas unternehmen, weitet er sich, wenn nicht, bleibt er klein.“

Der Erfolg der Integration hängt mit der Biographie der Alten zusammen. „Gertrud ist richtig aufgeblüht, nachdem wir uns um sie gekümmert haben. Die hat nachher ihren eigenen Sohn aus dem Haus geworfen, als er versuchte, sie im Heim unterzubringen.“ Lene ist erst spät zu den Straßenarbeitern gekommen. Das sie wieder alleine Essen und unter Aufsicht Duschen kann, ist für die WG-Pflegerinnen ein großer Erfolg.

Selbständig soll die Arbeit werden, weg von der Abhängigkeit der Behörden. Dazu haben die Straßenarbeiter die Groschenidee entwickelt. Man verpflichtet sich zur regelmäßigen Überweisung eines Groschens an den Verein, ein spezielles Verbuchungsprogramm verhindert, daß die Bank mit Buchungsgebühren das Kapital wieder auffrißt. 30.000 Förderer gibt es schon, 100.000 sollen es werden, wünscht sich der Verein. Mit 120.000 Mark wäre die Finanzierung von Haus und Pflege finanziert. Seitdem die Straßenarbeiter das Haus in der Hildesheimer Straße gekauft haben, war das Thema Schulden immer virulent für die Gruppe.

Damit das nötige Geld zusammenkommt, rühren die Straßenarbeiter jetzt die Promotion- Trommel. Höhepunkt: Ein Sonderkonzert von Weltstar Eartha Kitt am nächsten Sonntag in der Schauburg. mad

Eartha Kitt, Sonntag, 6.6., Schauburg Bremen,

Großes Haus

Kontakt: Straßenarbeiter e.V., Hildesheimer Straße 27