: „Irgendwie zurückschlagen“
■ Reaktionen von Bremer TürkInnen auf die Krawalle der letzten Nacht
Wie werden ausländische BremerInnen weiterhin auf rechtsextremistische Anschläge reagieren? Nach den Krawallen von türkischen Jugendlichen in der Nacht zu Dienstag befragte die taz türkische MitbürgerInnen im Steintor.
Ali Gülec, 20 Jahre in Deutschland, Lebensmittelhändler
Die Politiker müssen harte Gesetze erlassen. Die Täter müssen auch bestraft werden. Niemand kann sagen: die sind erst 16 Jahre alt, die können nicht wissen, was sie gemacht haben. Das stimmt nicht. Die werden doch organisiert von dieser Nazipartei. Gestern Mölln, heute Solingen, morgen vielleicht woanders. Wenn solche Attentate weiter passieren, werden die Türken sich auch wehren.
Hatice Karakaya (21),
Bürokauffrau, seit
acht Jahren in Bremen
Ich weiß nicht, wie man sich gegen Rechtsradikale wehren kann, aber ich finde die jetzigen Reaktionen nicht gut. Aber die Politiker unternehmen ja auch nichts. Wenn das so weitergeht, werden die jugendlichen Türken nicht ruhig. Die werden irgendwie zurückschlagen.
Ob da die doppelte Staatsbürgerschaft viel bringt, weiß ich aber nicht. Die Gesetze müßten schärfer werden. Für diesen Brandanschlag müßte es lebenslänglich geben.
Fatima Bulduk (19), Reisebürokauffrau, in Bremen aufgewachsen
Ich finde nicht, daß die türkischen Jugendlichen sich selbst wehren sollten. Der Staat sollte was dagegen unternehmen. Doch in Deutschland läuft das so: Die Leute werden höchstwahrscheinlich für ein paar Monate festgenommen und dann wieder freigelassen — vor allem, wenn sie noch Minderjährige sind.
Mehmet Akay, Gastronom,
seit 30 Jahren in Deutschland
Ich bitte meine Landsleute, Gewalt nicht mit Gewalt zu beantworten. Damit kann man nichts erreichen. Es muß mit Ruhe gelöst und die Täter unbedingt gefaßt und bestraft werden. Wenn meine Landsleute jetzt mit Gewalt antworten, dann profitieren davon nur die Rechtsextremisten. Unsere Politiker müssen so schnell wie möglich für Sicherheit sorgen.
Cafer Üstün, Ingenieur,
seit 31 Jahren in Deutschland
Die einzige Lösung ist die doppelte Staatsangehörigkeit. Wenn es die gäbe, wäre diese rechtsradikale Gesinnung, die zu dem Mord führten, nicht entstanden. Türken, die hier lange gelebt haben, könnten so auch politisch aktiv werden und ihre Meinung besser artikulieren. Das baut Vorurteile ab. Ich bin seit 31 Jahren in Bremen. Und trotzdem bin ich immer noch Ausländer.
Aygül Balicioglu (18),
Verkäuferin, in Deutschland aufgewachsen, Verkäuferin
Ich fühle mich bedroht. Aber Gewalt gegen Nazis lohnt sich nicht, das sind kranke Menschen. Die wissen wirklich nicht, was sie tun.
Sükran Aygül (21), Drogistin,
in Deutschland geboren
Mölln war eine Katastrophe, was jetzt in Solingen passiert ist, ist eine Katastrophe. Und ich merke, daß sich gar nichts tut. Wenn ganz Deutschland dagegen vorgehen würde, würden die sich das nicht mehr trauen. Das ist es ja, warum sie sich das trauen. Man sitzt jeden Abend da und denkt: Jeden Moment kann etwas passieren. Das ist für mich eine große Bedrohung. Man kann gar nicht mehr ruhig schlafen, jede Zeit könnte eine Bombe einschlagen — man hat nur noch diese Gedanken im Kopf. Das muß aufhören.
Fragen: Birgit Augustin
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