Videoperformance satt:

■ Total live

Fernsehen ist schuld an der Gewalt, Fernsehen macht doof und primitiv: Gemeinplätze über das Fernsehen sondert ein jeder ab, und grade die, die sich geistig erhaben übers Fernsehen dünken, plappern am lautesten jeden geistlosen Gemeinplatz nach. Doch wo die behauptete Gefahr am größten ist, da wächst das Rettende auch, denn Fernsehen, o höret, ihr Geisteshüter, Fernsehen gebiert auch Kunst. Ganze Geschwader von Videokünstlern sind emsig am Werk, das Fernsehen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, es zu „entlarven“ und zu „hinterfragen“, ihm einen Bildschirm vorzuhalten. Das tut auch Susanne Loehr, die heute abend ihre „Video-Performance 'on LIVE- Führungen zu Live'“ präsentiert und sich zum allüberall bekannten „Live“-Verfahren des Fernsehens mit einer künstlerischen Deutung äußert.

Die Überwachungskameras in Banken und Sparkassen haben es ihr angetan, die „live“ jeden Bankraub filmen, so „live“ wie eine Talkshow ist, oder so „live“ wie Sport. Erläutert mir die Künstlerin. Mir aber will sich nicht erschließen, was an ihren Fotos der Video-Aufzeichnungen diverser vermummter Räuber den „live“-Effekt sinnfällig machen soll. Und auch ihr „Sockel zum Live“ (der Schalter einer Bank) hilft mir nicht auf die Sprünge. Noch weniger ihr ebenfalls aufgezeichnetes Video-Interview mit einem Räuber, der nachträglich erzählt, wie er damals die Bank „live“ überfallen hat. Mir scheint das Fernsehen irgendwie mit seinem „live“-Verfahren ein wenig fortgeschrittener zu sein — im Guten wie im Gefährlichen. Doch Kunst bleibt Kunst, und wer „live“ gänzlich kitzelfrei genießen will, sollte sich „on LIVE“ nicht entgehen lassen. Sybille Simon-Zülch

Städt.Galerie Buntentorsteinweg 112. Heute, 20.30; morgen, 11h