„Haus Gaina“ schließt schon vor der Eröffnung

■ Betreutes Wohnprojekt für Frauen und Kinder droht an bürokratischen Hürden in der Sozialverwaltung zu scheitern / Die Miete für Juni ist noch nicht bezahlt

Fast 700 Quadratmeter groß ist die Zimmerflucht in der Reinhardtstraße 15, ein großer, heller Raum reiht sich an den anderen. Sogar ein Garten gehört dazu. Eigentlich sollen in die Reinhardtstraße 15 wohnungslose Frauen mit oder ohne Kinder einziehen. In einem Bereich ist eine „krisenorientierte Wohneinheit“ geplant, in der gefährdete Frauen psychisch und sozial stabilisiert werden sollen. In einem anderen, dem „WG- Bereich“, sollen sie dann lernen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen, selbst zu kochen und einzukaufen und sich um ihre Kinder zu kümmern.

Doch obwohl die Senatsverwaltung das Projekt im vergangenen Jahr mit 270.000 Mark finanzierte, steht die Etage weiterhin leer. An den Wänden breiten sich Feuchtigkeitsflecken aus, die Tapeten blättern ab, und die Holzdielen sind von fleckigem und oft eingerissenem Linoleum bedeckt. Die Elektrik muß erneuert werden, bis auf einige winzige Kindertoiletten fehlen sanitäre Anlagen. „Gerade wohnungslose Frauen können eigentlich nirgendwo hin“, sagt Agnes Faber, Vorsitzende des Vereins „Haus Gaina“ – Gaina ist schlicht ein Frauenname. Vor vier Jahren beschlossen einige SozialarbeiterInnen, die vorher in einem Neuköllner Obdach arbeiteten, ein betreutes Wohnprojekt für Frauen zu gründen. „Wir wollten mehr als die Leute nur verwalten.“ In der Senatsverwaltung für Soziales zeigte man sich zunächst aufgeschlossen. Sobald ein geeignetes Objekt gefunden sei, könne es losgehen, hieß es damals. „Als dann die Mauer fiel, haben wir uns auch im Osten umgeschaut und mit den Bezirksämtern Kontakt aufgenommen“, sagt Faber. Das Bezirksamt Mitte vermittelte ihnen Ende 1991 die Räumlichkeiten in der Reinhardtstraße.

Die Senatsverwaltung übernahm daraufhin für ein Jahr die Kosten für die Miete und finanzierte eine Stelle. Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) stellte in einem Schreiben vom November 1991 Mittel aus dem kommunalen Investitionsprogramm des Bundes in Aussicht. Die Bauplanungsunterlagen, die der Verein hatte erstellen lassen, sollten von der Bausenatsverwaltung geprüft werden. „Die lagen dann sieben Monate bei SenBau, während wir hier schon Firmen an der Hand hatten, die uns die ganze Etage für 500.000 Mark gemacht hätten“, sagt Vereinsmitglied Rosemarie Kuhz. Im November 1992 waren nicht nur die Bundesmittel längst anderweitig verplant, das Geld also nicht mehr da – die Bauverwaltung errechnete auch einen Gesamtbetrag von 680.000 Mark. Das sei zu teuer, befand die Sozialverwaltung und stellte die Finanzierung der Personal- und Sachkosten zum Januar 1993 ein. In dem Schreiben vom 23. Dezember heißt es jedoch, man sei durchaus an weiteren Gesprächen interessiert.

„Seitdem werden wir immer wieder vertröstet. Einmal hieß es, man hätte Stiftungsgelder für uns aufgetrieben, dann wurde uns mündlich zumindest die Finanzierung der Miete zugesagt. Auf einmal hieß es auch, die Prüfung durch die Bauverwaltung sei gar nicht nötig gewesen und warum wir nicht schon angefangen hätten“, ärgert sich Faber. Während dieser Zeit zahlte „Haus Gaina“ die Miete aus Sachkosten von 1992. Die waren übrig, weil im ganzen Jahr nicht einmal der Strom abgerechnet wurde und auch die Telekom das bestellte Telefon nicht installiert hatte. „Uns war schon bewußt, daß wir dafür Haushaltsmittel von 1992 verwendet haben. Aber wir mußten das tun und haben auf diese Weise das Projekt gerettet.“

Als es im Mai wieder zu einem Gespräch mit der zuständigen Abteilungsleiterin kam, wurde der Verein genau deshalb für „geschäftsunfähig“ erklärt und die weitere Verwendung der Mittel für die Mietkosten untersagt. Auch sei die laufende Finanzierung nicht gesichert. „So etwas wird normalerweise über Tagessätze mit den Sozialämtern abgerechnet“, so Kuhz. Für das „Haus Gaina“ haben sie einen Tagessatz von knapp 70 Mark ausgerechnet. Für sogenannte Läusepensionen zahlen die Sozialämter zwischen 50 und 100 Mark. Die Miete für Juni ist „Haus Gaina“ jetzt schuldig.

„Wir haben eine Kündigungsfrist von einem Monat“, sagt Faber. „Wenn nicht in den nächsten zwei Wochen ein Wunder geschieht, geht uns die Etage verloren.“ Das würde mit dem Ende der Planungen auch eine Chance weniger für die rund 7.000 wohnungslosen Frauen in Berlin bedeuten.

In der Senatsverwaltung wird über das Fortbestehen derzeit noch diskutiert. „Das befindet sich noch im Verwaltungsgang“, so Sprecherin Rita Hermanns. Weitere Auskünfte seien daher nicht möglich. Corinna Raupach