Seglervolk nicht müde

■ Trotz eklatanter Regeländerungen ungebrochenes Interesse an der Kieler Woche

Kräftigen Rückenwind statt nacholympischer Flaute erhoffen sich die Veranstalter der 99. Kieler Woche. Sichtlich erleichtert hat Dieter Rümmeli, Organisationschef der heute beginnenden Segelregatten die Meldezahlen zur Kenntnis genommen. „Ein unglaubliches Ergebnis, das zugleich zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind“, staunte Rümmeli, der im Zivilstand Schuhverkäufer ist. Mit 1422 Meldungen für rund 3500 Aktive aus 36 Ländern sieht er den Stellenwert als größte Vernastaltung dieser Art noch ausgebaut.

Eigentlich hatte sich der Herr der Wind - und Wasserspiele auf eine gewisse Müdigkeit des Seglervolkes eingestellt - ein Jahr nach den olympische Regatten. Noch viel mehr mußte er eine Meuterei wegen des zuvor teils heftig kritisierten neuen Konzepts befürchten. Denn im 111. Jahr des Bestehens wird bei dem maritimen Großereignis mit mancher Tradition gebrochen. An oberster Stelle der Zäsur steht die Spaltung in zwei Blöcke. Die ersten vier Tage sind 12 nichtolympischen Klassen zuzüglich der Mistral-Surfer vorbehalten. Erst im zweiten Abschnitt ab Mittwoch sind die fast 700 Boote von acht olympischen Disziplinen für fünf Tage auf dem Revier.

„Das frühere Chaos wird es durch diese Entzerrung nicht mehr geben. Wir bekommen kürzere Wege, mehr Sport und fairere Wettkämpfe“, begründet Rümmeli die neue Klassengesellschaft in der Segelwelt.

Im Jahr des weltweiten großen Experimentierens fällt dieser Kieler Woche besondere Bedeutung zu. Von ihr werden wichtige Hinweise für die im Herbst in Toronto anstehende Entscheidung über zukünftige olympische Wettkampfformen erwartet. „Wir wollen Vorreiter sein“, strich Rümmeli den Anspruch heraus. Mit der Drohung eines Ausschlusses hat IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch den Segelsport erschreckt und zur Entwicklung spektakulärer, markt- und mediengerechter Rennabläufe aufgefordert. Die Revolution auf dem Wasser wird in Kiel vornehmlich mit variablen, um etwa zwei Drittel gekürzten und in maximal in einer Stunde zu bewältigenden Kursen umgesetzt. Mehrere Starts pro Tag und insgesamt acht bis zwölf statt bisher sechs Rennen werden möglich. Dazu wird mit einem neuen Punkt-System gewertet, das die ersten Plätze weniger bevorteilt.

Aus den ziemlich mißglückten Versuchen der anderen großen europäischen Frühjahrsmeetings in Anzio, Hyeres und Medemblik haben die Veranstalter in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadtl offenbar gelernt. Gruppensegeln – auf der etwas flauen Förde aufgrund großen Andrangs nur im Laser und 470er/Manner angesetzt – K.o.-Runden und Hoffnungsläufe stifteten unter Seeleuten und Sehleuten hauptsächlich Verwirrung.

dpa