Patienten 2. Klasse

■ Lehrer klagen an: Keine Schulbusfahrten für behinderte Kinder von Asylbewerbern    Von Kaija Kutter

Die Lehrer und Mitarbeiter der Schule Tegelweg in Rahlstedt sind ziemlich sauer, seit sie erfahren haben, daß körperbehinderte Kinder von Asylbewerbern diskrimisiert werden. Deutsche Kinder, die im Rollstuhl sitzen, werden zur Schule gebracht. Das Kind einer Flüchtlingsfamilie wird nur abgeholt, wenn der Wohnort auf dem Weg liegt und keine zusätzlichen Kosten entstehen.

„Das führt im Alltag zu vielen Problemen“, erklärt der Lehrer Matthis Gruner. Dabei habe der Hamburger Senat doch dazu aufgefordert, die Kinder von Flüchtlingen zu beschulen. „Ich bin stocksauer“, sagt auch Schulleiter Hans-Jürgen Seehase. „Das ist eine Ausländerdiskriminierung, die sich zudem gegen Behinderte richtet.“ In drei Fällen habe er den Schulbustransport schließlich bewilligt bekommen. In zwei anderen Fällen müßten die Schüler zuhause bleiben. In Hamburg gibt es insgesamt vier Schulen für Körperbehinderte und sieben Schulen für Geistigbehinderte.

Nach Paragraph 120 des Bundessozialhilfegesetz (BSHG) haben Asylbewerber nur Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Anspruch auf Eingliederungshilfe für Behinderte stünden ihnen grundsätzlich nicht zu, erklärt Horst Koops von der Abteilung für Schulweghilfe in der Schulbehörde. Ihm selbst sei mindestens ein Fall bekannt, bei dem seine Abteilung den Transport eines Kindes abgelehnt hat, weil dadurch Mehrkosten entstanden wären.

30 Lehrer der Schule Tegelweg haben jetzt einen Brief an Sozialsenator Ortwin Runde geschrieben, in dem sie ihn auffordern, nach Lösungen zu suchen. „Die Sache wird wohlwollend geprüft“, verspricht Behördensprecher Joachim Breetz.

Nur notwendigste Behandlungen

Doch die Ungleichbehandlung von Asylbewerbern erstreckt sich auch noch auf andere Bereiche. So wurde im Allgemeinen Krankenhaus Altona ein Rundbrief an die Chefärzte verschickt, in dem sie aufgefordert wurden, Asylbewerber nur zu behandeln, wenn es „wirklich zwingend erforderlich“ ist. Bei „nicht zwingenden“ Behandlungen soll der Patienten entweder einen Vorschuß zahlen oder nach Hause geschickt werden. „Wir hatten Fälle, bei denen Patienten von uns versorgt wurden und das Sozialamt anschließend die Übernahme der Kosten verweigerte“, erklärt der stellvertretende kaufmännische Direktor, Helmut Henkensmeier. Der Brief an die Chefärzte sollte nur vorsorglich darauf hinweisen. Denn nach dem BSHG - ebenfalls Paragraph 120 - haben Asylbewerber nur Anspruch auf Hilfe, wenn es gilt „eine Lebensgefahr abzuwenden oder gravierende körperliche Schädigungen zu verhindern“. Henkensmeier: „Wenn einer Fieber hat, wird er selbstverständlich versorgt“. Die Korrektur einer Beinfehlstellung sei dagegen aufschiebbar.

Bernd Kalvelage von der Hamburger Ärzteopposition findet diese Unterscheidung gefährlich. „Das Schwierige ist die Grauzone. Was mache ich, wenn eine Schwangere mit frühzeitigen Wehen kommt und eine Fehlgeburt droht?“ Eine deutsche Frau würde man selbstverständlich zur Beobachtung in der Klinik behalten. Auch einen deutschen Patienten mit einer Bluthochdruckkrise würde man mehrere Wochen beobachten. Kalvelage: „Ich denke da an den jungen Assistenzarzt in der Aufnahme“. Der würde im Zweifelsfall eher den Asylbewerber wegschicken als zu riskieren, daß dem Krankenhaus zusätzliche Kosten entstehen und sein Vertrag vielleicht nicht verlängert wird.

Der Altoner Brief soll Ende Juni ein Nachspiel in der Ärztekammer haben. Kalvelage will geklärt wissen, ob diese Anordnung mit der Berufsordnung für Ärzte übereinstimmt. Seiner Meinung nach müßte man eher mehr als weniger Hilfe anbieten. „Ich sehe nicht ein, warum man jemandem nicht hier seine schiefen Beine operieren soll.“ Das wäre dann eine Art umgekehrter Entwicklungshilfe. „Statt mit dem Arzt-Köfferchen in die dritte Welt zu gehen, kommen die Patienten eben zu uns.“