Von Ader zu Ader oder auch in den Abfall

■ In der Blutfabrik Springe wird täglich das Blut von über 2.000 SpenderInnen „aufgearbeitet“ und abgepackt

Hier kleben keine Blutspritzer an den Kachelwänden. Das Blutspendezentrum des DRK in Springe bei Hannover ist nicht ganz so, wie Laien es sich vorstellen: Was da in großen Kesseln schäumend um und um gerührt wird, sieht nicht einmal aus wie Blut, also rot, ist aber trotzdem welches, nämlich gelbliches Blutplasma.

Heute werden ja nur noch Blutbestandteile übertragen: Rote Blutkörperchen zum Beispiel bei hohem Blutverlust, bestimmte Eiweiße des flüssigen Plasmas an BluterInnen. Deshalb hilft heute eine Spenderin im Schnitt 1,8 EmpfängerInnen. Nach „Vollblut“, also dem Blut wie es im Körper fließt, verlangen nur noch manche altmodische ArztInnen für die Rettung von Säuglingen.

Die Gebäude des Blutspendedienstes verbergen sich hinter dichtem Buschwerk, schon außerhalb des Kleinstädtchens Springe. Die DRK-Strategie nach '45, den Weltkrieg noch im Nacken: Blutzentralen möglichst in der Pampa. Pech, daß der Deister Höhenzug schon bald von Nato-Militärs zum Raketenstützpunkt und Aufmarschgebiet auserkoren ward.

Blutsuppe: Gelbes Blutplasma wird gerührt, gefiltert und geschleudert, bis es sich auftrennt in verschiedene EiweißeFoto: cis

Hier wird jeden Tag Blut von rund 2.000 Menschen aus Niedersachsen und Bremen angeliefert, untersucht auf Krankheiten, in seine Bestandteile zerlegt, gefroren und rund um die Uhr an norddeutsche Krankenhäuser

hier bitte das Foto

mit dem Mann am Kesselrand

ausgefahren.

Wegen der leichten Verderblichkeit von Blut lagert als Reserve in Springe laut Spendedienst-Leiterin Ursula Lassen gerade mal eine Tagesration. Blut, das aktuell weder in Bremen noch Niedersachsen gebraucht wird, bekommt Berlin oder, zum Selbstkostenpreis, New York. Verkauft werden jedoch nur rote Blutkörperchen, denn der Bedarf an Blutplasma kann schon in Deutschland kaum gedeckt werden.

HauptempfängerInnen sind keineswegs die Unfallopfer, wie die DRK-Werbung suggeriert, sondern KrebspatientInnen: Durch Chemo-und Strahlentherapie wird das Knochenmark zerstört, also die Produktionsstätte der Blutzellen. Gleich nach den KrebspatientInnen kommen die Herz- und Magenkranken. Verletzte benötigen nur 12 Prozent der Blutspenden.

Mittlerweile weiß man, daß man Menschen nur Menschenblut und zugleich blutgruppengleiches Blut übertragen kann. Nach der Entdeckung des Blutkreislaufs 1628 jedoch wurde zunächst mit der Übertragung von Lammblut auf Menschen experimentiert. Zwei Drittel der PatientInnen starben sofort. 1901 wurden die Blutgruppen entdeckt, im ersten Weltkrieg die Haltbarmachung mir Natriumcitrat und 1940 der Rhesusfaktor.

Heutzutage gehen PatientInnen kaum noch ein Risiko ein, wenn sie sich Blut übertragen lassen. Jede Blutspende wird in Springe zum Beispiel auf Aids,

Syphilis und erhöhte Leberwerte untersucht. Gern erzählen die medizinisch-technischen Assistentinnen die Anekdote, daß die Blutspenden eines ganzen Dorfes katastrophale Leberwerte hatte. Ein Dorf von Säufern? Fast. Am Sonntag hatte man Schützenfest gefeiert, am Montag war man zur Blutspende gegangen. Nach Weihnachten (Gänsebraten!) ist das Blut auch nicht gerade vom Feinsten.

Während die Aidsviren im Plasma mittlerweile unschädlich gemacht werden können, würden die roten Blutkörperchen solch eine Behandlung nicht überstehen. Die Blutzellen werden also noch mit Hilfe des Antikörper-Tests, der seit 1985 vorgeschrieben ist, durchforstet. Problem nach wie vor: Antikörper bilden sich erst einige Zeit nach der Ansteckung. Geschätztes Risiko einer HIV-Infektion durch Blutübertragung: 1:2 Millionen.

Jedes Risiko vermeidet, wer eine Eigenblutspende lagern läßt. Da sich eine Blutkonserve jedoch nur etwa fünf Wochen hält, hat die Eigenspende nur vor Operationen Sinn.

Da GroßstädterInnen bei weitem nicht so spendefreudig sind wie die Landbevölkerung, versorgen die Niedersachsen auch Bremen mit. Trotz aller Kostbarkeit landet übrigens ein Teil des Blutes im Abfall: Bestimmte Eiweiße im Plasma sind nicht zu verwerten und bleiben im Filter als bröckelnde, bräunliche Masse zurück.

Spenden dürfen alle Menschen zwischen 18 und 65 Jahren, Männer bis zu viermal im Jahr, Frauen bis zu dreimal. Von den fünf bis sieben Litern Blut jedes Menschen wird pro Spende ein halber Liter abgezapft. Die Blutflüssigkeit ist innerhalb weniger Stunden ersetzt, die roten Blutkörperchen brauchen etwa einen Monat. Von rund 100 Personen spenden pro Jahr nicht ganz sieben. Wer regelmäßig gespendet hat und nachweislich kerngesund ist, darf nun auch über das Alter von 65 Jahren hinaus spenden. Die deutschen RentnerInnen sind nämlich immer sehr frustriert gewesen, wenn ihr Blut, kaum daß sie 65 waren, plötzlich keiner mehr haben wollte. Christine Holch