Bis zum bitteren Ende

■ Günstige Prognose – Reststrafe bleibt

Je näher der Tag der Entlassung rückt, desto enger wird die Gefängniszelle. Kai Norkeweit hält es in seinem „Loch“ in der JVA Lübeck kaum noch aus. Insgesamt saß er zwölf Jahre hinter Gittern – für Diebstähle und Einbrüche – sieben Wochen bleiben noch. Jetzt hat der 34jährige Wohnung und Lehrstelle. Doch die Reststrafe wird ihm trotz positiver Beurteilung der Anstalt nicht erlassen.

Nun ist er von einem Freigang nicht in seine Zelle zurückgekehrt. Erst heute will er sich stellen. In einem Brief hat er dem Abteilungsleiter der JVA seine Situation geschildert.

„Ich habe im Vollzug gezeigt, daß ich mich diesmal wirklich bessern will“, sagt Norkeweit. „Doch auf mein Bemühen wird nicht reagiert.“ Zum ersten Juni schon hätte er seine Stelle bei einer Segelmacherfirma in Billbrook antreten können. Dem Untermieter seiner Wohnung hatte er bereits zum dritten Juni gekündigt. Um die Wohnung zu bezahlen, hat sich Kai Norkeweit Geld geliehen.

„Zum ersten Mal muß ich nach meiner Entlassung nicht bei Null anfangen.“ Doch 46 Tage soll er noch sitzen. „Der zuständige Richter der Strafvollstreckungskammer“, so Norkeweits Eindruck, „war mir gegenüber einfach gleichgültig.“ Jörg Beer, Richter am Landgericht, sieht das anders. „Herr Norkeweit hat bisher keine Bewährungszeit durchgestanden“, rechtfertigt er seine Entscheidung, „da kann ich ihn doch nicht vorzeitig laufen lassen.“ Alles, was man über einen Gefangenen wisse, spiele bei der Beurteilung eine Rolle. „Es gibt keinen, der Herrn Norkeweit seine Entlassung nicht wünscht.“ Aber: „Seine Entlassungsvorbereitungen hat der Gefangene voreilig getroffen, er hätte die Entscheidung abwarten müssen.“

Kein Gedanke an Resozialisierung. Zudem würde seine vorzeitige Entlassung kein Risiko bedeuten. Denn Kai Norkeweit untersteht sowieso drei Jahre der Führungsaufsicht. „Da reicht ein kleiner Verstoß und ich bin wieder im Bau.“

Torsten Schubert