Die Teufelsgeiger aus Potsdam

■ „The Inchtabokatables“ spielten im Schlachthof

Ein australisches Slangwort für „Betrüger“ soll ihr Bandname sein, aber vielleicht binden die fünf Potsdamer ihrem Publikum auch mit einem Phantasiewort einen Bären auf.

Ihre verschrobene Ironie haben sie schon mit dem Statement unter Beweis gestellt, sie würden „das Lebensgefühl einer Generation ausdrücken, denen 40 Jahre ihrer Jugend geklaut wurden“. Hungrig, wild und wütend wirkt die ostdeutsche Band auf jeden Fall, und statt sich an der satten westlichen Kulturlandschaft zu orientieren, holen sie sich ihre Einflüsse aus wüsteren Zeiten und kärgeren Gegenden:schottische Spottlieder auf einen französischen König aus dem 18. Jahrhundert, mittelalterliche Veitstänze oder irischer Folk werden mit einer gehörigen Portion dreckigem Punk vermischt — zu ihrem ganz eigenen, unverkennbaren Musikstil.

Kultgeruch

Mit weit aufgerissenen Augen singt B. Breuler als der nie stillstehende Derwisch der Gruppe vom „Tod am Bahnsteig“, dazu kratzt er wild auf seiner Violine. Genau wie der zweite Geiger und der Cellist, dessen lange, blonde Mähne immer gefährlich nah an den Saiten herumzuckt, wenn er sein Instrument nicht gerade wie eine Gitarre hält und spielt. Die drei Streichinstrumente werden gefiedelt, gezupft, elektronisch verzerrt und zum Jammern gebracht. Zusammen mit Bass und Schlagzeug haben sie einen rockigen Sound, der immer bis zum Äußersten hochgespannt klingt.

Aber so brachial sich die Musiker auch auf der Bühne gebärden — letzlich sitzt jede Note ganz genau, und musikalisch ist diese Mischung alter, plebejischer Stile mit Rockrhythmen oft überraschend komplex. Die Band wirkt so fremdartig, intensiv und unangepaßt, daß sie förmlich nach Kult riecht. Im Grunde sind „The Inchtabokatables“ aber die Kinder (oder schon Enkel ?) von Ian Anderson und Jethro Tull. Wo dieser einbeinig seine Querflöte spielte, tanzt B. Breuler mit seiner Fiedel im Publikum herum.

Man mag ihnen vielleicht 40 Jahre ihrer Jugend geklaut haben, dafür bedienen sie sich jetzt ausgiebig und sehr phantasievoll dieser Vergangenheit.

Willy Taub