Bremer Spenden-LKW geplündert und gestohlen

■ Bosnien-Hilfe von Kroaten gestoppt / Fahrer haben überlebt / Versorgung in Lukavac katastrophal / Spendenaktion geht weiter

Die Bremer Spenden für die bosnische Stadt Lukavac sind nicht angekommen. Der aus Spendenmitteln finanzierte LKW mit der Ladung im Wert von rund 28.000 Mark wurde bereits am 8. Juni nahe der Stadt Novi Travnik von den bosnisch- kroatischen Truppen gestoppt, die Ladung wurde geplündert und der LKW konfisziert. Nachdem zuerst Unklarheit über das Schicksal der drei Fahrer geherrscht hatte, kam am Wochende die erlösende Nachricht, daß alle am Leben sind. Emsad Cosic und Izmet Dzambic haben sich bis nach Lukavac durchgeschlagen. Marian Kuprecak war nach einem Wortwechsel mit den kroatischen Soldaten weggeführt worden. Danach sei ein Schuß gefallen, und die beiden anderen Fahrer hatten befürchtet, daß er erschossen worden sei. Doch mittlerweile wurde bekannt, daß er lebt, allerdings in Novi Travnik festsitzt. In Lukavac war der Transport sehnsüchtig erwartet worden. Nach letzten Meldungen ist die Versorgungslage in der Stadt dramatisch.

In einer gemeinsamen Presseerklärung gaben Marieluise Beck von der Initiative Frauen helfen Frauen und der ASB- Landesvorsitzende Claus Gehlhaar die neuesten Nachrichten aus dem zentralbosnischen Kampfgebiet weiter. Solange das Schicksal des dritten Fahrers ungeklärt gewesen sei, habe man sich mit der traurigen Nachricht über die Hilfslieferung nicht an die Öffentlichkeit wenden wollen. Bei ihrer Bosnien-Reise hatte Marieluise Beck den Bremer LKW in einem langen Konvoi ausgemacht, der von den Truppen der bosnischen Kroaten festgehalten wurde. Am 8. Juni hatte der Konvoi die Blockade passieren dürfen, aber nur um wenige Kilometer später in die Falle zu fahren: 30 Fahrer wurden bei dem Überfall der bosnisch-kroatischen Armee getötet, nur die Hälfte der LKWs sind an ihrem Bestimmungsort angekommen.

Am Samstag ging dann der letzte Hilferuf aus Lukavac via Satellitentelefon ein: „Für die meisten Bürger gibt es nichts mehr zu essen“, teilten Beck und Gehlhaar gestern mit. Nachdem der Transport nach Zentralbosnien fast unmöglich geworden ist, bitten die Einwohner jetzt um Geld, um über den Schwarzmarkt Lebensmittel besorgen zu können. Gegenwärtig überprüft der ASB über seinen Stützpunkt in Split, ob eine Möglichkeit zum Geldtransfer nach Lukavac besteht. Thomas Pörschke vom Bremen-Norder ASB-Flüchtlingsbüro: „Geprüft wird dabei auch, ob der Bürgermeister von lukavac in der Lage ist, Waren zu kaufen und die dann auch an die Bedürftigen zu verteilen.“

Unterdessen gehen die politischen Diskussionen in Bremen um eine militärische Intervention in Bosnien weiter. Der Grüne Landesvorstand hat am Freitag einen Bundes-Sonderparteitag gefordert. In der Initiative wenden sich die obersten Landesgrünen massiv gegen den Beschluß des bundesgrünen Länderrates für eine militärische Intervention. Gegen die Position der Bremer Landesgrünen steht sowohl die Grüne Beck als auch der ASB-Vorsitzende Gehlhaar. In ihrer Erklärung fordern sie: „Die UNO muß die Transportwege mit allen Mitteln öffnen.“ Es sei ein Skandal, daß die UNO zusehe, wenn serbische und nun auch kroatische Truppen die Bevölkerung in Zentralbosnien systematisch aushungere.

Ebenfalls für die Ausweitung des UNO-Mandats will sich ein Bosnien-Komitee starkmachen, das sich am vergangenen Freitag aus einem Abend der UnterzeichnerInnen des Frauen helfen Frauen-Aufrufs gebildet hat. Das Komitee will in den kommenden Tagen den Antrag einer Abgeordnetengruppe aus allen Fraktionen bekanntmachen, der noch vor der Sommerpause im Bundestag debattiert werden soll. Heute abend um acht bieten die Grünen im Viertel eine Diskussion zum Thema an. Angekündigt sind der Religionswissenschaftler Smail Balic, die Kommune-Redakteurin Dunja Melcic, Marieluise Beck und Ismet Hodsic von der Gemeinde Jugoslawischer Moslems.

Trotz des Mißerfolges beim Transport nach Lukavac soll die Spendenkampagne weitergehen. Auch wenn Zentralbosnien nicht erreichbar sei, es gebe noch genügend Flüchtlingslager, die Hilfe dringend nötig hätten, sagt Thomas Pörschke vom ASB. „Wir überlegen, wo die Hilfsgüter effektiv eingesetzt werden können.“ Spendenkonto: 1186618 bei der Sparkasse, BLZ 29050101. Stichwort: Frauen helfen Frauen, Bosnien-Lukavac Jochen Grabler