Entscheidung gegen Karriere

■ Gesichter der Großstadt: Der Landschaftsplaner Hans-Georg Rennert sieht die Bürgerbeteiligung nicht als notwendiges Übel, sondern als persönliche Aufgabe

„Meine Eltern und Geschwister schicken mir noch immer Stellenanzeigen“, sagt Hans-Georg Rennert und lächelt. Für sie sei es sehr schwer gewesen anzuerkennen, daß er sich „gegen den klassischen Weg und die Sicherheit“ entschieden habe. Der 32jährige Rennert hat Verständnis für diese Probleme, „für mich war das auch eine schwierige Entscheidung“. Als er 1990 sein Diplom als Landschaftsplaner erhielt, da begann die Branche gerade zu boomen: „Die ganzen Umlandgemeinden müssen sich ihre Planungsgrundlagen schaffen, also etwa Flächennutzungspläne aufstellen“, erklärt er, die Kreise seien mit ihren Landschaftsrahmenplänen beschäftigt.

Für Rennert als jungen Fachmann boten sich zahlreiche Berufschancen, „die Planungsbüros kommen mit ihrer Arbeit ja kaum noch nach“. Doch während seines projektorientierten Studiums an der Berliner TU hatte sich der stille Norddeutsche mit den auffällig hellblauen Augen bereits viel zu sehr um die politischen Teilbereiche gekümmert: „Das war die Zeit, als Partizipation und Demokratie noch thematisiert wurden“, begründet er, „aber das ist jetzt wohl viel verschulter geworden.“

Bürgerbeteiligung, die in den verschiedenen Planungsphasen vorgeschrieben ist, sei „nicht als notwendiges Übel angesehen“ worden; „daß das in Verwaltungen anders gesehen wird, war uns klar“. Kurz vor Studienende wurde Rennert Tutor: „Theorie und Praxis einer Planung von unten“ hieß das Projekt. Den Verein SO 36 habe man untersucht, auch den Moabiter Ratschlag. „Und genau in der Zeit wurde hier im Wedding etwas ähnliches aufgebaut, das Kommunale Forum.“

Obwohl er an der Uni bereits eingespannt war, stürzte sich der angehende Landschaftplaner nach kurzem Zögern in die Arbeit des Forums und schrieb darüber auch seine Diplomarbeit. Kontakte zwischen Fachleuten, Interessierten und Betroffen unterschiedlicher Bereiche im Wedding herzustellen, sei von Beginn an das Ziel gewesen, umschreibt er die vielfältigen Aktivitäten. Ihn habe diese Tätigkeit immer wieder große Überwindung gekostet: „Ich bin eigentlich nicht der Typ, der auf Leute zugeht, jemanden anspricht.“ Doch genau das ist seine Aufgabe; Arbeitslosenprojekte und Verkehrsinitiativen, Vereine politischer Bildung und Selbsthilfegruppen lernen einander über das Kommunale Forum kennen und entwickeln gemeinsame Projekte.

Er habe erlebt, daß die Menschen eben nicht ins Rathaus gehen, um sich ausliegende Pläne anzusehen, daß ihnen die Auswirkungen auf ihr Alltagsleben nur in den seltensten Fällen bewußt seien. „Die Chancen sind eben ungleich verteilt“, meint Rennert und will den Unterschied mit seiner Arbeit verringern. „Das Leben hier muß zum Thema gemacht werden“, fordert er, und so lädt das Kommunale Forum seit Jahren einmal im Monat zur großen Gesprächsrunde ein. Gerade Mitarbeiter der mittleren Behördenebene stünden dem Verein sehr aufgeschlossen gegenüber: „Leute aus der Familienfürsorge müssen zum Beispiel immer die Feuerwehrfunktion übernehmen, an den Planungen des Lebensraums sind sie aber sonst nie beteiligt.“

Stolz ist der zurückhaltende Planer auch auf ein Gespräch zu ökologischer Landwirtschaft: „Da saßen der Leiter der Bezirksamtskantine, der Vertreter eines Seniorenheims und Umlandbauern an einem Tisch, die lernen sich sonst gar nicht kennen.“ Zur Zeit stellt Rennert solche Kontakte als ABM-Kraft her, doch die Förderung läuft Ende August aus. Bis dahin wollen er und sein Kollege Willy Achter die Vernetzung der einzelnen Initiativen und Vereine noch stärker vorantreiben. Eine geringe Chance auf eine Verlängerung ihrer Stellen haben beide dadurch, andernfalls droht beiden die Arbeitslosigkeit.

„Aber ich mache hier auf jeden Fall weiter“, sagt Rennert bestimmt. „Jetzt ist das völlig klar, aber nach dem Studium war die Entscheidung für diesen Weg wirklich schwer.“ Christian Arns