Die Hauptstraße ist zwar grün, aber gefährlich

■ Berlins schlimmste Straßen (Schluß): Zwei Tote 1992 in der Hauptstraße

Eigentlich wirkt sie wie eine richtig nette Einkaufsstraße, auf die jede Stadt stolz wäre: die Hauptstraße, die von Schöneberg nach Friedenau führt. Geschäfte und Cafés reihen sich bunt gemischt aneinander, der Mittelstreifen ist auffällig grün. Anwohner und Händler müßten sich rundum wohlfühlen, Volkswirte sich am dort erwirtschafteten Geld erfreuen können. Der Rubel rollt.

Die Schattenseite des regen Lebens dort sind freilich die Unfälle, durch die der gesellschaftliche Nutzen stark gemindert wird. Berechnungen dieser Art sind durchaus üblich, Grundlage sind „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, mit denen die volkswirtschaftlichen Verluste durch Straßenverkehrsunfälle als Zahlenwert dargestellt werden“.

In die Folgekosten eines tödlichen Unfalls werden also nicht nur die Beerdigungsgebühren eingerechnet, die meistens die Angehörigen tragen, sondern etwa auch Versicherungsleistungen oder Waisenrenten. Rund 1,2 Millionen kostet nach diesen Richtlinien der Bürokratie ein Unfall, bei dem ein Mensch ums Leben kommt. Für einen Unfall, bei dem es bei einem schweren Sachschaden bleibt, werden 20.000 Mark veranschlagt.

Was die Gutachter der Forschungsgruppe Stadt und Verkehr sowie der Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung für die Hauptstraße errechneten, müßte auch zynische Buchhalter erschrecken:

Fast drei Millionen Mark hat die Gesellschaft jährlich für einen Kilometer Straßenlänge aufzubringen, rechneten die Experten zur stadtverträglichen Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den Kfz-Verkehr zusammen. Noch knapp teurer pro Basiskilometer ist die nördliche Verlängerung der Hauptstraße: Auch die Unfälle in der Potsdamer Straße kosten jährlich knapp drei Millionen Mark. Das ist kein Wunder: Rund 35.000 Autos haben die beiden Straßen täglich zu verkraften.

In der Potsdamer Straße ist zudem das Verhältnis von Bürgersteig zu Fahrbahn so stadtunverträglich, Wartezeiten bei der Überquerung der Spuren sind so lang, daß die „Potse“ auch in der Liste der „40 schlechtesten Straßen im Bewertungsfeld Straßenraum in der Berliner Innenstadt“ landete.

Vor allem aber sind die Hauptstraße und ihre Verlängerung gefährlich: Leichte Auffahrunfälle gibt es ständig; mit 59 Kilometern in der Stunde fährt der Durchschnitt auch eindeutig zu schnell, obwohl die 15 Prozent der Autofahrer, bei denen man ohnehin von ständigen Überschreitungen ausgeht, bereits herausgerechnet wurden. Die Folge sind sechs Schwerverletzte im Jahr 1992, hinzu kommen zwei Todesopfer durch Verkehrsunfälle. Christian Arns