■ Sabine Bergmann-Pohl als Präsidentenmacherin
: Oh Gott, noch ein Vorschlag!

Immer, wenn Sabine den Mund aufmacht, kneift der Ossi fröstelnd die Augen zusammen, zieht die Schultern hoch und duckt sich in Erwartung eines fürchterlichen Schlages. Auch, weil er noch immer in Frau Bergmann-Pohl den Hauptgrund für die blitzartige deutsche Vereinigung sieht. Nur so konnte ihr Interregnum als letztes DDR-Staatsoberhaupt beendet werden. Für Sabine dennoch kein Grund, fürderhin zu schweigen. Immer wieder öffnet sie ihr Plappermäulchen und sondert Genieblitze ab. Erst kürzlich in der Totenmaskenaffäre. Da freilich wurde ihr der Mund endlich einmal geschlossen, mit Gips, von schuftigen Satirikern, die vorgaben, das Pohlsche Konterfei für die Ewigkeit konservieren zu wollen. Entgipst, aber nicht entmutigt, meldet sie sich nun schon wieder zu Wort: „Lothar de Maizière for President“, ihr genialer Vorschlag. Dem Bratschenmanne bleibt auch nichts erspart. Das beachtliche und würdige Verhalten nach seinem Rücktritt hatte ihm viel Sympathie zuwachsen lassen. Auch der miese Fußtritt des Kanzlers (Schuhgröße 53) nach getaner Schuldigkeit, war de Maizière mehr zu Buche geschlagen unter den Hiesigen, als er ihm geschadet hatte. Und nun der Bergmannsche Vorschlag. Käme er nicht aus diesem Mund, man müßte sogar darüber nachdenken.

Denn ebenso würdig wie Genscher wäre de Maizière mit Sicherheit. Zumal der kleine, lispelnde Hugenotte sich in schwerster Zeit seinem Land ohne Zögern zur Verfügung stellte, während Hans-Dietrich immer wenn es ernst wird entweder die Koalition wechselt oder aus gesundheitlichen Gründen das Hasenpanier ergreift. Auch bei vielen der anderen absonderlichen bundespräsidialen Vorschläge stünde de Maizière wahrlich nicht an letzter Stelle. Ein Intellektueller, der das Spagat zwischen Geist und Macht riskierte, um unweigerlich an ihm zu scheitern. Ihm kommt auch das Verdienst zu, die deutsche Vereinigung unblutig zu Ende geführt zu haben. Vor dem Hintergrund von Mölln und Solingen und den zukünftigen, mit Sicherheit blutigen Verteilungskämpfen in diesem Land eine heute schon genial zu nennende historische Leistung. Dennoch, Sabines Vorschlag sollte nicht ernsthaft erwogen werden. Schon Lothar de Maizière zuliebe. Er verfügt nicht über die Elefantenhaut und das Gemüt des Oeztalmenschen, ein solches Procedere durchzustehen. Ganz abgesehen von jenen Dokumenten, vielleicht nun in Form von Schulaufsätzen, die ihn wieder der Kollaboration überführen würden. Eventuell diesmal mit der Gestapo, der er kurz vor seiner Geburt zu Diensten war. Ein Schicksal übrigens, das de Maizière mit allen ernstzunehmenden ostdeutschen Bundespräsidentenkandidaten teilen würde. Nicht einer käme durch. Immer wären zur rechten Zeit die rechten Dokumente, die ihn verhindern würden, zur Stelle.

Also nicht so ernst nehmen, den Bergmann-Pohlschen Vorschlag. Er war ja auch nicht ernst gemeint von ihr. Rührung über die hochherzige, gefolgschaftstreue Politikerin sollte er auslösen, doch dann heftigen Widerspruch und die Frage, wenn nicht de Maizière, wer dann? Ein Ossi soll es sein und eine Frau. Und nun, der nationale Aufschrei: „Sabine Bergmann-Pohl for President!“

Möglich ist spätestens nach Günter Krause in diesem Lande alles. Auch eine Bundespräsidentin, die so unmöglich ist. Henning Pawel