■ Nebensachen aus Budapest: Touristen und Neger
Vor kurzem befragte das ungarische Meinungsforschungsinstitut „Szonda Ipsos“ 2.000 ausländische Touristen zu ihren Ansichten über Budapest. Es stellte sich heraus, daß viele von ihnen erwartet hatten, in ein typisches ex-kommunistisches Land zu kommen, in dem die Armut groß, die Hauptstadt grau, deprimierend und abgewrackt sei. – Und wo im Grunde bereits der Balkan beginne.
Zu ihrer Überraschung mußten die BesucherInnen aber feststellen, daß Bewohner der ungarischen Hauptstadt im allgemeinen hilfsbereit und freundlich, die Budapesterinnen im besonderen meist elegant gekleidet sind, daß die Versorgungslage gut, wenn auch etwas teurer, und das Panorama aus Hügel, Berg und Donau wunderbar ist, trotz der Dunstglocke, hinter welcher selbiges bisweilen zu verschwinden pflegt.
Die BudapesterInnen werden von den Umfrageergebnissen im allgemeinen entzückt sein, denn mit nichts kann man sie mehr beleidigen, als in ihrer Hauptstadt bereits den Anfang des Balkan auszumachen. Doch die Umfrage hat natürlich einen Haken: Es wurden nur westliche Touristen befragt. Denn die östlichen Touristen sind für die Ungarn im Prinzip keine richtigen Touristen, da sie sich für nichts außer für die Geschäfte interessieren, womit solche gemeint sind, die sie lieber selber machen wollen. Aber die Spezies des östliche Touristen stirbt in Budapest ohnehin aus.
Schuld daran ist unter anderem ein Edeldissident. Der Mann heißt Gábor Demszky und gehört einer großen, liberalen Partei an. Als Kämpfer gegen den Gulaschkommunismus und für die Freiheit machte er sich in den 70er und 80er Jahren verdient, verdiente aber aus Gründen des Berufsverbots kaum einen Groschen damit. Nach 1989 wurde er deshalb mit dem Posten des Budapester Oberbürgermeisters entschädigt.
Demszky will sich seitdem auch um Aufschwung und Image der ungarischen Hauptstadt verdient machen. Anfang des letzten Jahres ließ er sämtliche Straßenhändler aus der Innenstadt fegen, zum größten Teil Osttouristen. Gleichzeitig erhielt die Polizei Anweisung, alle verdächtig aussehenden Ausländer – Kennzeichen: dunkle Haut, schwarze, krause Haare, Schlitzaugen – bevorzugt zu kontrollieren. Seitdem haben derartige oder ähnliche Subjekte beste Chancen, infolge eines Spazierganges durch die Budapester Haupteinkaufsstraße in einem Abschiebelager bei Budapest zu landen. Versehentlich passierte das auch schon mal italienischen Touristen oder chinesischen Reisenden, die von der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie eingeladen waren. Ganz davon zu schweigen, daß die Präsenz von Russen, Arabern und Roma, also von „Negern“ aller Art, in der Vací-Straße ein seltenes Naturereignis ist. Und die Chinesen hat der pausbäckige Innenminister Péter Boross sowieso bereits fast alle abschieben lassen.
Was nun die Umfrage unter den Westtouristen anbelangt, so bejahten 52 Prozent ganz entschieden und 34 Prozent zum großen Teil, daß Budapest eine Brücke zwischen Ost und West sei. Bisher waren aller guten alten dummen Klischees nur drei: Gulasch, Puszta, Plattensee. Keno Verseck
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