: Öffentlich geförderte Umwandlung?
■ Neukölln: Eigentümer beantragt Abgeschlossenheit / Bezirk: Amtsgericht soll entscheiden / Seit Juli 266 Anträge
In Neukölln droht den Mietern zweier Häuser die Umwandlung in Eigentumswohnungen, obwohl die Gebäude erst kürzlich mit öffentlichen Mitteln modernisiert wurden. Wie die Mieterberatung ASM mitteilte, wurden von den Eigentümern der Hertzbergstraße 30 und Hermannstraße 16 beim Bezirksamt Anträge auf Abgeschlossenheit eingereicht. Diese Anträge betreffen die bauliche Abgeschlossenheit einer Wohnung nach den neuesten Schall- und Brandschutzbestimmungen und sind in der Regel der erste Schritt für die Umwandlung. Ursula Dyckhoff von der ASM betonte, daß in den Förderverträgen für beide Häuser eine Umwandlung ausdrücklich ausgeschlossen sei. „Wenn dennoch Abgeschlossenheitsbescheinigungen erteilt werden“, so Dyckhoff, „wäre dies ein Skandal.“ Daß es vertragliche Vereinbarungen gibt, die eine Umwandlung in Eigentumswohnungen ausschließen, bestätigte gestern der für die Erteilung der Bescheinigungen zuständige Mitarbeiter der Neuköllner Bauaufsicht, Othegrafen: „Die beantragte Bescheinigung bezieht sich lediglich auf die Abgeschlossenheit, nicht aber auf eine Umwandlung.“ Die zu verhindern, sei nötigenfalls Aufgabe des Amtsgerichts.
Neukölln ist seit der Erleichterung der Umwandlung durch ein Karlsruher Urteil im Juni 1992 nicht nur einer der Bezirke mit dem größten Umwandlungsdruck, sondern auch mit einer hohen Bewilligungsrate. Von 266 Anträgen (Stand April 1993) wurden bereits 170 Bescheinigungen für 3.960 Wohnungen erteilt. Zum Vergleich: In Kreuzberg gab es von Juni bis Dezember 1992 nur für zehn von 117 Anträgen den begehrten Umwandlungsfreibrief.
Auch der Verfahrensweg ist in Kreuzberg ein anderer. Abgeschlossenheitsanträge, so Baustadträtin Romberg (Mandat Grüne), „werden bei uns nicht nur von der Bauaufsicht, sondern auch vom Stadtplanungsamt geprüft“. Wenn ein Haus öffentlich gefördert wurde, werde vor dem Entscheid Rücksprache mit der Investitionsbank Berlin als Fördergeber gehalten. Daß die Erteilung der Bescheinigungen vor dem Hintergrund anderslautender Förderverträge rechtsmißbräuchlich sei, belegt unter anderem ein dem Bezirksamt Neukölln vorliegendes Rechtsgutachten. wera
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