Fall Silvio Meier: Täter kommen vor Gericht

■ Trödelte Staatsanwalt bei den Ermittlungen? / Noch kein Prozeßtermin

Die Berliner Justiz zeigt offensichtlich nur dann Elan, wenn Olympia-Gegner mit Steinen auf eine Bank werfen. Im Falle des von rechten Jugendlichen erstochenen Hausbesetzers Silvio Meier brauchte die Staatsanwaltschaft trotz Geständnisses fast ein halbes Jahr für die Ermittlungen. Noch immer ist unklar, wann die Täter vor Gericht kommen. Nach Angaben von Justizsprecher Bruno Rautenberg wurden zwar „kürzlich“ die Anklageschriften von einer Jugendkammer des Landgerichts zugelassen, ein Verhandlungstermin stehe aber noch nicht fest.

Ingesamt müssen sich drei von sechs Jugendlichen, die in der Nacht zum 21. November 1992 auf dem U-Bahnhof Samariterstraße den 27jährigen Silvio Meier und zwei Begleiter nach einem Streit um einen nationalistischen Aufnäher angegriffen hatten, vor dem Richter verantworten. Hauptbeschuldigter ist ein 17jähriger Berufsschüler aus Lichtenberg, der sich drei Tage nach der Tat freiwillig der Polizei gestellt hatte. Ihm wird „Totschlag“ vorgeworfen. Zwei weitere Ostberliner Jugendliche müssen sich wegen „versuchten Totschlags“ bzw. „Beteiligung an einem Angriff mit Todesfolge“ verantworten. Alle drei, die sich nach eigenen Angaben als „rechte Hooligans“ verstehen, sitzen seit Ende November in Untersuchungshaft. Die drei weiteren Mitglieder der rechten Jugendgruppe haben den Ermittlungen zufolge nicht auf Silvio und seine Begleiter eingestochen. Sie sollen als Zeugen gehört werden.

Ungewöhnlich an den Ermittlungen ist aber nicht allein die lange Dauer, sondern auch die Abteilung der Staatsanwaltschaft, die sie geführt hat. Der Fall landete nämlich nicht, wie man angesichts des rechten Hintergrundes der Tat hätte erwarten können, auf dem Schreibtisch des berüchtigten Sonderdezernats 81, das sich vornehmlich den NOlympic-Straftaten widmet, aber eigentlich für politisch motivierte Gruppendelikte zuständig ist. „Diesem Tötungsdelikt hat sich eine ganz normale Abteilung für Kapitalverbrechen gewidmet“, sagte Justizsprecher Rautenberg.

„Wir wollen auch keine Sonderabteilungen für rechtsgerichtete Jugendliche“, zeigte sich Bündnis 90/ Grüne-Fraktionschef Wolfgang Wieland darüber erfreut. Da die Kriminalisten in den gewöhnlichen Abteilungen der Staatsanwaltschaft zudem „viel gründlicher“ arbeiteten, liege auch die lange Ermittlungszeit im „Rahmen des Üblichen“. „Entscheidend ist, daß die Täter auf der Anklagebank sitzen und die Tat gesühnt wird“, sagte Wieland. Rechtsanwalt Dieter Hummel, der die beiden beim Überfall verletzten Begleiter Silvio Meiers vertritt, kündigte gegenüber der taz an, die dubiosen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Und das kann spannend werden: Wie im Innenausschuß des Parlaments längst bestätigt wurde, versuchte die Polizei von Anfang an, die politische Bedeutung des Todesfalles unter den Teppich zu kehren. Micha Schulze