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: Frosch = quak!

„Die Post geht ab“, So., 20.15 Uhr, RTL

Silberlocke ist stinksauer. Die Zuschauer schalten seine neue RTL-Show ab. Von knapp 11,5 Millionen, die noch im November die letzte „Rudi-Carrell- Show“ im Ersten sahen, sind ihm schlappe drei bei RTL treugeblieben. Tendenz fallend. Das geht dem Holländer an die Nieren: Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung soll er sogar einen Elefanten beleidigt haben. Woran liegt es?

Zunächst ist alles so wie immer und wirkt so vertraut wie der Schoppen nach einem tristen Arbeitstag. Laue Entspannung durchfährt die Glieder, wenn die Kandidaten ihre bemüht komischen Witze reißen und vom Publikum solidarischen Applaus ernten. Der verschluckt-nuschelige Slang, den Carrell seit Jahrzenten konserviert hat, erinnert an den Versuch, den Zungenschlag nach dem dritten Bier zu vertuschen. Für das latent rassistische deutsche Massenpublikum bleibt der spielende Holländer der „gute Ausländer“, der jenen Schuß Exotik ausstrahlt, die der Urlaubsgermane so gerne empfindet. Auch die Spiele haben einen Bart, so lang wie bei den Musikern von ZZ-Top. Was kein Nachteil ist, denn das Quotenpublikum lacht lieber über das, was es schon kennt, als zum Beispiel über einen guten Witz von Edgar Schmitt, der sich vom pfeifenden Stuttgarter Fußballpublikum distanzierte, indem er sagte: „Ich muß die ja nicht heiraten.“ Daß man einem Engländer pantomimisch die Speisekarte erklärt, ist spieltechnisch gesehen seit Jahrzehnten ein garantierter Lacherfolg: Frosch – quak quak!

In puncto Umgang mit anderen Nationalitäten sind derartig infantile Verständigungsformen jedoch soziologisch sehr auffällig. Ebenso wie der Umstand, daß die Kandidaten – bei einem anderen Spiel – kaum eine Nationalhymmne erkannten, geschweige denn die Internationale. Und bei jenem Spiel, bei dem vier Frauen daran scheiterten, mit Ton auf einer Töpferscheibe einen erigierten Phallus zu kneten, machte der Psychologe unter den Zuschauern ein Gesicht wie der junge Freud.

Für den Zuschauerschwund bleiben demnach nur zwei Gründe übrig: Zum einen tötet der wöchentliche Ausstrahlungs-Rhythmus den Ereignischarakter – das Erfolgsgeheimnis von „Zum blauen Bock“. Der kam nur dreimal im Jahr, war total beknackt, und die Leute lieben ihn noch heute. Gottschalk ist durch den täglichen Senderhythmus ruiniert. Soll er doch eine 24-Stunden- Talk-Show machen: Überdosis reinigt.

Der zweite Grund sind die neuen Postleitzahlen, für die die Show wirbt. Die neuen Zahlen wurden eingeführt wegen der Wiedervereinigung, und die mangelnde Akzeptanz der Show ist somit Ausdruck unterschwelliger Ablehnung gegen Ossiland. Manfred Riepe