: Hauptsache deutsch
■ Zehn Gründe, warum das neue Nationalradio so unsinnig ist
1. Nur das halbe Land kann es hören. Weil die Bundesländer ihre wertvollen UKW-Frequenzen lieber für kommerzielle Sender aufsparen, sendet das Nationalradio auf dem Flickenteppich der vorhandenen Frequenzen, zum großen Teil auch auf Mittel- und Langwelle. Erreicht wird damit nur die Hälfte der Hörerschaft in Ost und West. Die meisten Bürger werden, wenn überhaupt, auch nur eins der beiden nationalen Programme hören können.
2. Das Nationalradio ist ein Zwitterding. Ein Bundessender aus dem Hause von ARD und ZDF paßt nicht in die eigentlich föderal organisierte Rundfunklandschaft.
3. Das „Geburtsdatum“ 17. Juni, an dem die Staatsverträge unterzeichnet wurden, sagt alles: Hier wurden mit dem Deutschlandfunk und dem RIAS zwei Sender mit propagandistischem Auftrag aus den Zeiten des Kalten Krieges konserviert, die eigentlich „abgewickelt“ gehört hätten wie der Staatsfunk im Osten. Doch im Westen sollte es keine Abwicklung geben. Damit es nicht nur nach Besitzstandswahrung und politischer Siegesfeier aussah, wurde der DS- Kultur gnädig mit an Bord genommen.
4. Hauptsache deutsch. Der Deutschlandfunk konnte sich – trotz seiner Nähe zu Bonn – mit der einfachen Weiterführung seines Namens nicht durchsetzen. So wurde „Deutschlandradio“ daraus. Immerhin verhindert wurde der Arbeitstitel „Hörfunk deutscher Länder“, der so richtig tausendjährig donnert. Ebenfalls nicht durchsetzen konnte sich „Nationaler Hörfunk“.
5. Das Nationalradio ist ein Greisenradio. Von Jugendlichen war beim programmatischen Hickhack zwischen Köln und Berlin bislang nicht die Rede. Nichts gegen die schönen Feature- und Hörspielangebote von Deutschlandfunk und RIAS – doch wie sollen damit junge HörerInnen gewonnen werden? Das Nationalradio wird mit seinem jetzigen Publikum ziemlich schnell biologisch altern. Schade, dabei gab es doch mal einen Jugendfunk, der Ost und West tatsächlich „integrierte“: Das DDR- Jugendradio DT 64. Für dessen Erhalt dauerdemonstrierte eine „Jugendbewegung“ beiderseits der Grenze und sammelte mehr als eine halbe Million Unterschriften, bis der MDR es als Satellitenradio „Sputnik“ in den Weltraum schoß.
6. Hauptsache deutsch: sog. Ausländerprogramme sind, so die Meldungslage, „bislang nicht vorgesehen“.
7. Mit einem Gebührenetat von 300 Millionen Mark wird den ARD-Hörfunkprogrammen mit dem „Deutschlandradio“ eine fürstlich ausgestattete „Binnenkonkurrenz“ geschaffen. Den ARD-Kulturprogrammen drohen neue Rechtfertigungszwänge. Warum zwei teure Programme mit öffentlich-rechtlichem Auftrag mehr, wo doch die ARD – so lauten Reformvorschläge – eigentlich eher einen Teil ihrer rund fünfzig Hörfunkprogramme abbauen soll?
8. Das „Deutschlandradio“ ist ein kleiner, aber feiner Staatsfunk. Nach den langwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern setzten die Länder zwar durch, daß der neue Sender kein Bonner „Adenauer-Radio“ wurde, sondern eine Gemeinschaftseinrichtung von ARD und ZDF. Doch in den Gremien, dem Rundfunkrat (von vierzig Mitgliedern kommen 19 von Bund und Ländern) und dem Verwaltungsrat (Bund und Länder stellen die Hälfte der acht Mitglieder) haben die Regierenden das Sagen. Von wegen „Staatsferne“.
9. Von DS-Kultur, dem dritten Sender, der im Nationalradio aufgehen soll, ist kaum noch die Rede (s. auch Artikel unten). Neben den Mini-Mühlfenzls Loewe & Appel wurde dem Sender auch eine Rote- Socken-Regelung vorgesetzt: Die Übernahme von Mitarbeitern des Ostsenders will man sich „im Einzelfall vorbehalten“. In Köln beim Deutschlandfunk kann man ruhig zusehen, wie RIAS und DS-Kultur sich bie der Zusammenführung gegenseitig zerfleischen. Ob das wortreiche „heavy-culture“-Programm von DS-Kultur als „Tagesbegleitprogramm“ seine Identität wahren kann, darf bezweifelt werden.
10. Gipfel des Schacherns zwischen Deutschlandfunk und RIAS ist die Tatsache, daß es zwei Programme aus Köln und Berlin mit gleichen inhaltlichen Schwerpunkten (Information und Kultur), also vieles doppelt geben wird. Für einen Sender der sich „Integrationsfunk“ nennt, besonders peinlich. kotte
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