Kein „Yuppie-Streik“ bei Digital

■ Erster Erfolg im ersten Streik der deutschen Computerindustrie / Es kriselt in der Branche

Frankfurt/Main (taz) – Sie verdienen im Durchschnitt 90.000 DM im Jahr, sind (fast) alle AkademikerInnen und die ErfolgsgarantInnen für den ökonomischen Wiederaufschwung in Deutschland. Klaus Zwickel, designierter neuer IG-Metall-Vorsitzender, bemühte sich gestern in Frankfurt, die neue, für die Metallindustrie bislang „untypische“ Spezies streikender ArbeitnehmerInnen auf einer Pressekonferenz vorzustellen: „Von der Hardware über die Software zur Gegenwehr.“

Seit exakt einer Woche befinden sich in Berlin und Bremen, in Hannover, Hamburg, Siegen, Essen und Köln rund 400 Computerspezialisten des US-amerikanischen Comuptergiganten Digital Equipment (DEC) im Ausstand.

Dieser erste Streik in der bundesdeutschen Computerindustrie, so Zwickel, sei „außerordentlich erfolgreich“ verlaufen. Nach nur einer Streikwoche signalisierte das Management von DEC Deutschland Verhandlungsbereitschaft. Ab heute wird in Berlin um das von den ArbeitnehmerInnen verlangte Rationalisierungs-Schutzabkommen gerungen. Noch in der vergangenen Woche hatte die Geschäftsführung von DEC Deutschland alle Gespräche mit der IG Metall kategorisch abgelehnt.

Bei dem Streik, an dem sich rund 40 Prozent der Beschäftigten in den bestreikten DEC-Betrieben beteiligen, handele es sich keinesfalls um einen „Yuppie-Streik“, betonte Zwickel. Vielmehr führten die hochqualifizierten MitarbeiterInnen von DEC einen für die gesamte Branche beispielhaften Kampf um Tarifverträge mit Schutzklauseln gegen Entlassungen, für Mitspracherechte bei der Unternehmensentwicklung und für die Aufrechterhaltung von Weiterbildungsmaßnahmen in der High-Tech-Industrie.

In der Computerbranche, so die Analyse von Zwickel, würden die Beschäftigungszahlen „wie Schnee in der Sonne schmelzen“ – „auch bei den Branchenleadern IBM und Siemens-Nixdorf“. Zwickel forderte die Bundesregierung und die EG auf, endlich Gegenstrategien zu dieser „fatalen Entwicklung“ zu entwickeln: „Das japanische Beispiel zeigt, wie wirkungsvoll koordinierte Industriepolitik für Forschung und Entwicklung, Produktinnovation und Markterschließung sein kann.“

Die Streikenden bei DEC Deutschland rechnen jedenfalls mit einem „umfassenden Erfolg“ bei den Verhandlungen. Einen längeren Streik, so DEC-Betriebsrat Wigand Cramer, könne sich der Konzern nicht leisten, denn: „Der Druck der Kundschaft auf das Unternehmen wird mit jedem Streiktag größer.“ Zu den Kunden gehören zahlreiche Großbanken und auch die Frankfurter Börse, deren Computersysteme von DEC betreut werden.

Und dafür, daß „der Kessel unter Dampf bleibt“, wollen Cramer und seine KollegInnen auch in den nächsten Tagen sorgen: mit der Aufrechterhaltung des Streiks, und mit der Drohung auf Ausweitung etwa auf die Filiale in Frankfurt, deren ServicetechnikerInnen dort die Computer der Wertpapierbörse betreuen. Klaus-Peter Klingelschmitt