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Laß das mal den Scharping machen...

Oskar Lafontaine verzichtet nach drei Gesprächen mit Scharping schweren Herzens auf seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur / Scharping jetzt unangefochtener SPD-Spitzenmann  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Oskar Lafontaine verzichtet auf die Kanzlerkandidatur, Rudolf Scharping will selbst antreten. Eine Woche nach dem Basisentscheid zum Parteivorsitz ist die zweite offene Personalfrage nach dem Engholm-Rücktritt rasch und nahezu geräuschlos geregelt worden. Als Scharping und Lafontaine gestern nach der Präsidiumssitzung vor die Presse traten – Chef- Moderator Johannes Rau hatte den beiden das Feld überlassen –, demonstrierten sie das, was Lafontaine zum maßgeblichen Kriterium für die Entscheidung gemacht hatte: Einvernehmen. Scharping, der auch bei dieser Gelegenheit das erste Wort hatte, sagte, daß er dem Präsidium erklärt habe, „daß ich nach Gesprächen und nach intensiven Gesprächen mit Oskar Lafontaine die Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlers anstrebe. Das ist allgemein akzeptiert worden.“ Er habe bekanntlich dafür votiert, daß man die Aufgaben teilen soll, so Lafontaine. Nach drei Gesprächen aber „sind wir dann zu dem Ergebnis gekommen, das Rudolf Scharping vorgetragen hat.“

Lafontaine wird stellvertretender Parteivorsitzender bleiben und in der Kommission zur Erarbeitung des Regierungsprogramms, die Scharping als Vorsitzender leitet, als Stellvertreter neben Parteivize Wolfgang Thierse sein. „Sehr zufrieden und persönlich froh“ zeigte sich Scharping, weil sich an der Rolle Lafontaines als stellvertretender Parteivorsitzender nichts ändern wird. „Damit bildet sich eine starke Achse in der SPD heraus“, so Scharping, der in keiner wesentlichen Frage inhaltliche Differenzen sieht. Es bleibe „nichts zurück“, meinte wiederum Lafontaine. Und weiter: „Jetzt geht es darum, daß wir gemeinsam den Erfolg suchen.“

Das Präsidium hatte in seiner Sitzung außerdem einen Vorschlag für den Parteitag gebilligt. Danach sollen im Statut Mitgliederbefragungen verankert werden. Über konkrete Vorschläge wird der reguläre Parteitag im November beschließen. Der Kanzlerkandidat, der schon feststeht, soll formell in der ersten Jahreshälfte 94 ausgerufen werden, weitere Mitglieder für die Regierungsprogrammkommission werden auf der Parteivorstandsitzung am 5.7. festgelegt.

Mit dem Votum der sozialdemokratischen Basis für Rudolf Scharping als künftigen Vorsitzenden am 13. Juni war die Frage nach der Kanzlerkandidatur sofort zum erstrangigen Gegenstand der öffentlichen Debatte avanciert. Als „Nullsummenspiel“ könne es sich erweisen, aus der Mitgliederbefragung auch die Wünsche der Basis in puncto Kanzlerkandidatur ablesen zu wollen. So hatte Scharping vor einer Woche auf die Frage geantwortet, ob die SPD mit einem Vorsitzenden Scharping nicht zugleich für den Kanzlerkandidaten Lafontaine gestimmt habe. Ansonsten hatte der frischgekürte Scharping „mit der Langweiligkeit einer tibetanischen Gebetsmühle“ auf die Einhaltung verabredeter Regeln verwiesen. Die sahen vor, daß der Sonderparteitag ein Verfahren zur Wahl des Kanzlerkandidaten festlegt. Daß zwischen Scharping und Lafontaine im Vorfeld der Mitgliederbefragung eine Arbeitsteilung vereinbart worden sei, glaubte zu diesem Zeitpunkt niemand mehr – auch diejenigen nicht, die Scharpings Hinweis, daß er als Parteivorsitzender das erste Wort haben wolle und „nie Tandem“ gefahren sei, hartnäckig überhört hatten. Der deutliche Vorsprung, mit dem Scharping die Mitgliederbefragung für sich entschieden hatte, legte die Vermutung nahe, daß er auch für die Kanzlerkandidatur antreten wollte. Doch konnte sich mancher in der ersten Tagen nach dem 13. Juni noch eine offene Konkurrenz um die Kanzlerkandidatur vorstellen, die – nach dem Muster der Mitgliederbefragung – dann Lafontaine für sich entscheiden könnte. Doch in raschem Tempo verschoben sich die Gewichte zugunsten Scharpings. Die Umfragen, die der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht, weisen ihn nun als wirksamsten Kanzlerherausforderer aus.

Lafontaine selbst, der drei Wochen nach dem Rücktritt Björn Engholms seine Bewerbung um die Kanzlerkandidatur angemeldet hatte, verpflichtete sich strikt auf den Weg des „Einvernehmens“, offenbar nicht nur aus Gründen des innerparteilichen Kräfteverhältnisses. Die Führung müsse sich auf „Programm und Personen verständigen“, mit dieser Formel hatte Lafontaine jedes Drängen auf eine definitive Festlegung abgewehrt. Nach 1990, als SPD-Kanzlerkandidat, so Lafontaine in einem Zeit-Interview, habe er aus seinen Erfahrungen die Konsequenz gezogen, „daß ohne Einvernehmen in der Führung der SPD ein erfolgreicher Wahlkampf nicht zu machen ist.“

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