Noch optiert niemand für kroatischen Gegenschlag

Während die Außenminister der EG-Staaten gestern in Kopenhagen das totale Scheitern ihrer Vermittlungsbemühungen im Bürgerkrieg in Bosnien eingestehen mußten, dürfte das überdeutliche Votum der Krajina-Serben für ihr „Großserbien“ das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Serben und Kroaten neu belasten.

In der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat das Ergebnis des zweitägigen „Referendums“ der Krajina-Serben über den Zusammenschluß mit „anderen Serben-Staaten“ kaum Verwunderung ausgelöst, war selbiges doch schon vor Öffnung der Wahllokale klar. „Ein Volk, ein Wille, ein Staat“ lautete der Aufruf der Behörden, und dem folgten nach ersten Berichten über 92 Prozent der Krajina-Serben.

Während das offizielle Zagreb das Ergebnis der Abstimmung in den serbisch besetzten Landesteilen Kroatiens herunterspielt, macht sich der Verleger Nenad Popovic lustig: „Die über 92 Prozent Ja-Stimmen für die Vereinigung der serbisch besetzten Gebiete mit den in Bosnien besetzten Gebieten erinnern uns ein bißchen an die alten Zeiten.“ Von direkter Wahlmanipulation möchte jedoch niemand sprechen, die Manipulation der Serben in diesen Gebieten sei schon seit zwei Jahren allumfassend, meinen sowohl die Intellektuellen als auch die Meinungsmacher der Zeitungen in der Hauptstadt Kroatiens.

Manche erinnern daran, daß immer noch fast zwei Drittel aller Serben Kroatiens in den von der kroatischen Regierung kontrollierten Gebieten Kroatiens leben. „Obwohl es auch bei uns Übergriffe gegenüber Serben ähnlich denen gegenüber Ausländern in Deutschland gegeben hat, so ist es doch bemerkenswert, daß die überwiegende Mehrheit der Serben Kroatiens hier geblieben ist“, erklärt ein Redakteur der Zagreber Tageszeitung Vjesnik – eine Anspielung darauf, daß viele serbische Familien, vor allem aber Frauen und Kinder, aus Angst vor den unkontrollierbaren Aktionen der serbischen Freischärler aus der Krajina nach Belgrad oder andere Orte Serbiens übergesiedelt sind. „Die Region ist nur noch dünn besiedelt, es gibt keinen Strom, die Lebensumstände sind miserabel“, gibt die kroatische Presse zu bedenken.

Autonomieversprechen für Krajina-Serben steht noch

An eine militärische Aktion als Reaktion auf die „illegale Abstimmung“ (Kroatiens Präsident Tudjman) scheint jedoch niemand zu denken. Die Zeit, so ein Angehöriger der kroatischen Armee, sei dafür nicht reif. In der augenblicklichen politischen Konstellation würde der Einmarsch der kroatischen Armee in die besetzten Gebiete auf wenig Verständnis im Weltsicherheitsrat stoßen. Und da sich die UNO bis zum 30. Juni vorbehalten hat, über eine Verlängerung des Mandats der UNO-Truppen in den besetzten Gebieten zu entscheiden, gebe es auch keinen Handlungsbedarf. Noch immer hoffe die kroatische Regierung, so eine Pressesprecherin in einem inoffiziellen Statement, daß die UNO die Bestimmungen des Vance-Planes umzusetzen in der Lage ist. Und die beinhalten ja immerhin die Wiederherstellung der Souveränität des kroatischen Staates in den besetzten Gebieten und die Rückkehr der über 600.000 kroatischen Flüchtlinge. Im Gegenzug hat die kroatische Regierung den Serben der Region Krajina weitestgehende Autonomie versprochen.

Doch auf die Vereinten Nationen setzen möchten in Wirklichkeit nur die wenigsten. Selbst in der Liberalen Partei Kroatiens, die zur Zeit in den Meinungsumfragen mit 40 Prozent Zustimmung weit vor der kroatischen Regierungspartei HDZ liegt, herrscht wenig Optimismus, was die Aktionsfähigkeit der UNO betrifft. Das Beispiel Bosnien-Herzegowina hat auch in Kroatien viele schockiert. Und langsam ist in Zagreb eine regelrechte Wut gegen den Präsidenten der selbsternannten kroatischen Republik Herceg-Bosna, Mate Boban, entstanden, der „die kroatische Politik in der ganzen Welt in Mißkredit gebracht hat, indem er das Bündnis mit den Muslimanen brach“.

Bojo Kovacevic, Generalsekretär der Liberalen Partei, sieht nun sogar eine Spaltung in der Regierungspartei. Denn auch die Fraktion der Westherzegowina-Kroaten in der Regierung in Zagreb sei nicht mehr bereit, die Strategie Bobans kritiklos mitzutragen. Aus Kreisen des kroatischen Militärs ist zu hören, daß selbst der aus Westherzegowina stammende Verteidigungsminister Susak Bobans Politik zu verurteilen beginnt.

Wirtschaftliche Aussichten sind nicht gerade rosig

Was bleibt, ist die Hoffnung auf den Faktor Zeit. In der Tat sind die Aussichten für eine ökonomische Entwicklung der Krajina in einem „Großserbien“ nicht besonders rosig. Vergleichbar mit den Zonenrandgebieten in der alten Bundesrepublik Deutschland müßte die Region erhebliche Subventionen erhalten, um zu überleben. Doch die Wirtschaftskraft des serbischen Staates ist bekanntermaßen nicht sehr ausgeprägt.

Trotz des Abstimmungsergebnisses beim „Referendum“ vom Wochenende hoffen deshalb einige Experten auf ein Einlenken derjenigen Serben in der Krajina, die irgendwann wieder am Aufbau der Wirtschaft interessiert sind. Allein mit dem Zugang zur Küste könnte dies gelingen. Und damit, so die Hoffnung in Kroatien, könnten die dort lebenden Serben die Option verfolgen, sich als serbisch autonome Region wieder Kroatien anzuschließen.

Doch genau dies wissen die serbischen Nationalisten auch. Ihr Druck auf die kroatischen Küstenstädte Zadar und Sibenik hat in den letzen Tagen zugenommen. Die Küstenstadt Biograd wurde am Freitag sogar mit Kurzstreckenraketen beschossen, die eine Reichweite von über 60 Kilometern haben. Signalisiert wurde damit, daß selbst Zagreb, das nur 35 Kilometer von der Demarkationslinie entfernt liegt, jederzeit beschossen werden könnte – für den Fall, daß die kroatische Seite an Militäraktionen denken sollte. Zwar ist dieser Zustand für Kroatiens Politiker unerträglich. Doch noch optiert niemand offen für einen militärischen Gegenschlag. Erich Rathfelder, Zagreb