Weit abgeschlagen hinter Japan und den USA

■ EG-Kommissionspräsident Jacques Delors verordnet der Gemeinschaft ein Sanierungsprogramm / Großbritannien will Sozialabbau, Dänemark ist dagegen

Kopenhagen (taz) – Elf bunte Graphiken verdeutlichen den zwölf Regierungschefs der EG, wie schlecht es um die Wirtschaft ihrer Gemeinschaft bestellt ist: die Arbeitslosigkeit liegt bei rund zwölf Prozent höher als je zuvor, die Exporte sinken langsam, aber stetig, während die der USA und Japans steigen, die Wettbewerbsfähigkeit läßt nach, die Ausgaben für Forschung und neue Investitionen sind viel zu niedrig und das Wirtschaftswachstum dümpelt bei 0,5 Prozent, obwohl mindestens das Sechsfache nötig wäre, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Präsident der EG-Kommission, Jacques Delors, der sich gestern wegen eines Hexenschusses nur am Krückstock in das Messezentrum auf der grünen Wiese vor den Toren Kopenhagens bewegen konnte, legte die Diagnose vor. Als Behandlung für die kranke europäische Wirtschaft schlägt der französische Sozialist eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit im Binnenmarkt vor.

Dazu gehören seines Erachtens besser qualifizierte Arbeitskräfte, gemeinsame Investitionsplanungen – vor allem im Bereich der Infrastruktur und Telekommunikation – und die gemeinsame europäische Währung. Konkrete Schritte, so Delors, werde die EG- Kommission in den nächsten Monaten in einem neuen „Weißbuch“ entwickeln. Der Gipfel am Ende des Jahres in Belgien soll dann darüber befinden.

Einschnitte im Sozialbereich und einen stärkeren europäischen Protektionismus, letzteres hatte die französische Regierung unlängst gefordert, lehnte Delors gestern ab. Beide Vorschläge kamen jedoch bei der mehrstündigen Debatte der Regierungschefs im Europäischen Rat zur Sprache. Die dabei gefallenen Argumente sind aus der jahrelangen Debatte über eine europäische Sozialcharta zur Genüge bekannt. Der britische Premierminister John Major, dessen Regierung seinerzeit die Unterzeichnung der Sozialcharta abgelehnt hatte, meinte, daß die hohen europäischen Löhne und Sozialabgaben die Arbeitskosten in der EG in eine Höhe getrieben hätten, die die Abwanderung ganzer Branchen fördere. Er rief die Gemeinschaft auf, die Lohnkosten zu senken. Alle Versuche, die wöchentliche Arbeitszeit zu verringern und Teilzeitarbeit einzuführen, hält er für falsch.

Im krassen Gegensatz zu Major stand die dänische Regierung, deren Außenminister Niels Helveg Petersen gestern „amerikanische Verhältnisse“ für EG-Europa mit dem Kommentar ablehnte: „Niemals“. „Ich wüßte nicht“, ergänzte er, „wieso mehr Unsicherheit für die Lohnabhängigen zu einem schnelleren Ausweg aus der Krise führen sollte.“ Dorothea Hahn