Kaum Chancen auf Asyl für Schwule und Lesben

■ Gutachten über „Irreversibilität“ hilft

Es bedarf schon einer gewissen Hartnäckigkeit, in Zeiten, in denen das Asylrecht faktisch abgeschafft wird, Asyl für diejenigen zu fordern, die in ihrer Heimat wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden. Bisher haben Lesben und Schwule nur in wenigen Ausnahmefällen in der Bundesrepublik Asyl erhalten, erläuterten ReferentInnen des Aktionsbündnisses Internationaler Christopher Street Day am Montag abend in der Humboldt-Universität.

Voraussetzung für eine Anerkennung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß die Homosexualität der AsylbewerberInnen „irreversibel“ ist und daß sie in ihrem Herkunftsland mit einer unerträglich hohen Strafe rechnen müssen. So gewährte das Bundesverwaltungsgericht 1988 einem homosexuellen Iraner Asyl, weil „der Kläger zu jenen Homosexuellen gehört, bei denen die homosexuelle Veranlagung eine schicksalhafte Festlegung des Sexualtriebs darstellt, die nicht mehr umkehrbar und damit unentrinnbar ist“.

„Die Vorstellung von einer irreversiblen Homosexualität ist auf dem Stand der Sexualwissenschaft des 19. Jahrhunderts“, kritisierte eine Teilnehmerin. Zu glauben, daß jemand sein Leben lang entweder homo- oder heterosexuell sei, entspreche in keiner Weise der Realität. Kritisiert wurde auch, daß AsylbewerberInnen die Irreversibilität ihrer Homosexualität in ärztlichen und psychologischen Gutachten nachweisen müssen.

Die wenigen anerkannten Flüchtlinge stammen – soweit bekannt – alle aus dem Iran. Dort gilt für männliche Homosexualität die Todesstrafe; weibliche Homosexualität wird beim ersten Mal mit 100 Peitschenhieben bestraft und „erst“ beim vierten Mal mit der Todesstrafe. Die drakonische Strafandrohung veranlaßte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 1990 dazu, eine Iranerin anzuerkennen. Da sie von einem Schulkomitee bereits gleichgeschlechtlicher Neigung verdächtigt worden sei, sei es nur eine Frage der Zeit, bis das iranische Regime von ihrer Homosexualität erfahre (Az.: 5 K 10255/89).

Beim Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen des Berliner Senats gehen pro Monat ein bis zwei Anfragen von homosexuellen AsylbewerberInnen ein, berichtet Claus Nachtwey. Chancen auf Anerkennung bestünden jedoch kaum.

Um so notwendiger ist es, sich vor Ort für Verfolgte einzusetzen, wie die Internationale Menschenrechtskommission von Lesben und Schwulen in San Francisco. Auch amnesty international (ai) setzt sich seit 1991 für Gefangene ein, die wegen „einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen Erwachsenen“ inhaftiert sind. Eine ai-Eilaktion für zwei Rumänen führte kürzlich zu deren Entlassung aus der U-Haft.

Darüber hinaus kämpft ai auch gegen Gesetze, die zur Inhaftierung führen, erläuterte ai-Vertreterin Margit Gottstein. In Schreiben an die Regierungen von Tasmanien und die baltischen Staaten habe ai darauf hingewiesen, daß eine Inhaftierung von Homosexuellen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung eine Menschenrechtsverletzung darstelle. Da es jedoch keine völkerrechtlich bindende Vereinbarung gibt, die eine so begründete Verfolgung verbietet, bleibt es vorerst bei Appellen. Dorothee Winden