■ Kohl ist für die Aufhebung des bosnischen Waffenembargos
: Risikolos und ohne Folgen

Schäbiger und opportunistischer als Helmut Kohl am Montag abend in Kopenhagen kann man sich wohl kaum noch verhalten. Seine während des Abendessens beim EG-Gipfel überraschend vorgetragene Forderung nach einer (Teil-)Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnischen Muslime wird seit Sommer letzten Jahres diskutiert – immer höchst ambivalent. Kam sie vom Westen, paßte sie gut zu der schon im letzten Sommer im Bonner Außenministerium vertretenen Überzeugung, der Krieg in Bosnien müsse sich „halt ausbluten“. Aus dem Mund der Muslime selber, die seit Beginn des Krieges fast immer in der Defensive waren, inzwischen Hunderttausende von Opfern zu beklagen haben und denen nun die völlige Auslöschung droht, muß die Forderung selbst für radikale Pazifisten nachvollziehbar sein.

Nie hat der gestern vorläufig abgesetzte Präsident Bosnien-Herzegowinas, Alija Izetbegović, einen Hehl daraus gemacht, daß diese Forderung nicht einer großartigen Strategie, sondern nackter Verzweiflung entsprang. Verzweiflung angesichts der Weigerung der internationalen Gemeinschaft, sich ernsthaft und vielleicht auch unter Inkaufnahme eigener Opfer für das Überleben der bosnischen Muslime zu engagieren. Zumindest intern problematisierte Izetbegović auch, daß eine Aufhebung des Waffenembargos ausschließlich für die Muslime in der Praxis kaum realisierbar sei. Bei einem verstärkten Waffenzufluß an alle drei Kriegsparteien würde das Schlachten nur noch mehr eskalieren.

Dieses Argument wird in der Sache nicht dadurch falsch, wenn es von Leuten vorgebracht wird, die auch andere Motive haben – wie gestern in Reaktion auf Kohl der britische Premier Major. Dessen mit Hilfe von EG-Vermittler Owen verfolgte Strategie der letzten Monate war es, (Groß)serbien als vermeintlichen Ordnungsfaktor auf dem Balkan möglichst unbeschädigt zu erhalten. Als Kohl seinen Vorschlag machte, ging er keinerlei Risiko ein. Er wußte, daß keine Chance auf Durchsetzung besteht. Doch offensichtlich hatte der Kanzler auch das im Sinn: nach der Kritik von US-Außenminister Christopher an der deutschen Anerkennungspolitik das Verhältnis zu Clinton zu verbessern. Warum sonst nutzte er dessen Brief zur Lancierung seiner Forderung? Auch will er wohl seine Stellung im eigenen Land und in der eigenen Partei stärken, bei denen, die seit Monaten eine Aufhebung des Embargos fordern. Und schließlich will er sein Image sowohl bei den bosnischen Muslimen verbessern wie auch das angespannte Verhältnis zur Regierung in Ankara und den bei uns lebenden Türken entkrampfen. Bleibt zu hoffen, daß das schäbige Manöver als solches erkannt wird. Andreas Zumach, Genf