Ungarn auf dem „Dritten Weg“?

■ István Csurka gründet nationalistische Partei / Richtungsstreit in Regierungspartei MDF geht dennoch weiter

Budapest (taz) – Unspektakulär, so wie es der ungarische Ministerpräsident József Antall immer gewollt hatte, ist die Csurka-Affäre seiner Partei zu Ende gegangen. Am Montag teilten der Dramenschreiber-Politiker István Csurka und seine rechtsextremistischen Anhänger die seit längerem angekündigte Gründung ihrer eigenen Partei mit – knapp ein Jahr, nachdem sie im „Ungarischen Demokratischen Forum“ (MDF) zum Kampf gegen Antall angetreten waren.

Ob er gleichzeitig aus dem MDF austrete, dazu wollte Csurka nicht Stellung nehmen. Gewohnt verschwommen und in der Pose des beleidigten Helden gab er zu Protokoll, er betrachte sich bereits als ausgeschlossen. Über eine dementsprechende Entscheidung des MDF-Disziplinarausschusses, der Csurka und seine Anhänger mit der Gründung der „Ungarischen Gerechtigkeitspartei“ (MIP) offenbar zuvorkommen wollten, war bis gestern nachmittag nichts zu erfahren. MDF-Sprecher Károly Herényi sagte gegenüber der taz jedoch, daß Csurka aller Voraussicht nach ausgeschlossen werde.

Entgegen den Verlautbarungen von MDF-Politikern, unter ihnen auch Antall, ist ein Ende der Krise in der größten Partei der Regierungskoalition allerdings nicht absehbar, im Gegenteil.

Zwar hat der Regierungschef nun endgültig die auch im Ausland immer wieder angezweifelte Salonfähigkeit seiner Partei hergestellt. Der Preis dafür besteht jedoch im langsamen Zerfall des Demokratischen Forums.

Schon der Ausschluß von Csurka, zwei seiner Anhänger sowie der rechtsradikalen Skinhead- Fürsprecherin Izabella B. Király aus der MDF-Parlamentsfraktion Anfang Juni war für Antall nur um den Preis des gleichzeitigen Ausschlusses der beiden profiliertesten Liberalen des MDF zu erkaufen. Dabei galt der innerparteiliche Unmut gegen den liberalen Flügel nicht nur deren ausgewiesenen Vertretern, sondern auch dem Parteichef Antall und seinen Christdemokraten, die sich in den vergangenen Monaten den Liberalen angenährt hatten.

Den Ausschluß der Liberalen hatte im Hintergrund Sándor Lezsák, nach Parteichef Antall der zweite Mann im MDF, betrieben. Er gehört zu jenen MDF-Gründern, die das Forum 1987 als nationale Bewegung für einen „Dritten Weg“ Ungarns ins Leben gerufen hatten und an diesem Geist noch immer festhalten. Nach Ansicht dieser MDF-Volkstümler sollte Ungarn zu einer „nationalen Demokratie“ werden, wobei sie die Betonung auf das Adjektiv legen. Wirtschaftlich und kulturell plädieren sie neben einer starken Rolle des Staates für einen möglichst geringen „ausländischen Einfluß“. Zwar ist aus ihren Reden und Schriften nicht jener Antisemitismus und extreme Nationalismus von Csurka ersichtlich, dennoch hielten sie Csurka und seine Ideen im MDF bislang für unabdingbar.

Demgegenüber emfinden die MDF-Volkstümler Parteichef Antall, der erst Ende 1989 in das Forum einzog, scheinbar immer mehr als Fremdkörper. Wenngleich die Richtung seiner Politik aufgrund seines Dauer-Taktierens manchmal schwer auszumachen ist, so geht nicht wenigen seiner Parteikollegen die europäische Integration, die er anstrebt, zu schnell. Ebenso wird die eher zögerliche Politik des Antall-Kabinetts bei ökonomischen Reformen von manchen MDFlern als zu radikal empfunden.

Csurka seinerseits hat für die nächsten Wochen den ersten Kongreß der „Ungarischen Gerechtigkeitspartei“ sowie die Ausarbeitung eines Programmes angekündigt. Ob er und seine Anhänger bei den Wahlen im nächsten Frühjahr wieder ins Parlament gelangen, darüber läßt sich bislang nur spekulieren. Doch könnten sich ihre Chancen wesentlich erhöhen, wenn sie Kooperationsangebote anderer nationalistischer Parteien annehmen, die Csurka bereits seit Monaten angetragen werden. Keno Verseck