Kohl kämpft für Waffenhilfe

EG-Gipfel lehnt Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien ab / Washington, Ankara und Bonn ziehen an einem Strang / Empfang für Izetbegović am Katzentisch  ■ Aus Kopenhagen Dorothea Hahn

„Das Waffenembargo zwingt Bosnien in die Kapitulation – wer daran festhält, macht sich mitverantwortlich“, hatte Alija Izetbegović noch am Montag in Kopenhagen gesagt. In aller Eile war er nach dem Scheitern des Vance-Owen- Plans zum Gipfeltreffen der Regierungschefs und Außenminister der EG-Länder gereist, um zumindest eine teilweise Aufhebung des Waffenembargos zu bewirken. Doch die EG lehnte ab. Empfangen wurde der Präsident von Bosnien- Herzegowina am Katzentisch: Lediglich die drei Außenminister der „Troika“ sprachen mit ihm, die zwölf Regierungschefs schüttelten ihm nicht einmal die Hand. Am Tag darauf war Alija Izetbegović auch in Sarajevo politisch tot.

Nach Izetbegovićs Abreise aus Kopenhagen hatten sich die Mitglieder der „Troika“ – in der momentan der britische, der dänische und der belgische Außenminster sitzen – beeilt, zu versichern, daß sie weiter für die Prinzipien der Londoner Konferenz eintreten. Sie seien immer noch für territoriale Integrität, Souveränität, die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte und die Nichtanerkennung gewaltsam veränderter Grenzen, behaupteten sie. Und sie wollten den Verhandlungsprozeß zwischen Serben, Kroaten und Muslimen in Genf weiterführen. Doch Waffenlieferungen – und sei es nur zur Selbstverteidigung der von aller Welt verlassenen bosnischen Moslems – lehnten sie ab. „Es ist keine gute Idee, das Waffenembargo aufzuheben“, sagte Dänemarks Außenminister Niels Helveg Petersen. Das würde eine Entscheidung des Weltsicherheitsrates erfordern, die Kämpfe verstärken und sei eine Gefahr für die UNO-Schutztruppen (UNPROFOR).

Aus dem Kreis der zwölf EG- Regierungschefs unterstützte nur einer den Wunsch, mit dem Izetbegović in den Tagen zuvor durch mehrere europäische Hauptstädte gereist war: Bundeskanzler Helmut Kohl. In den Tagen vor dem EG-Gipfel hatte er sich der Rückendeckung des US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton vergewissert. Höchst aktiv war auch der türkische Präsident Suleyman Demirel. Kurz vor Gipfelbeginn teilte er Kohl noch einmal schriftlich mit, daß das Waffenembargo die bosnischen Muslime rettungslos an Serben und Kroaten ausliefere.

Gegen die Einwände von Frankreichs und Großbritanniens Regierungschefs, die auch um die Sicherheit ihrer eigenen Soldaten in Bosnien fürchten, sprach Kohl sich in Kopenhagen so hartnäckig für die Aufhebung des Waffenembargos aus, daß die Stimmung beim Abendessen am Montag „ganz undiplomatisch“ wurde. Er sei völlig isoliert gewesen, gab der Kanzler selbst später zu. Nur auf der Ebene unterhalb der Regierungschefs fand er ein paar „Sympathisanten“: in der kleinen portugiesischen Delegation, bei den Niederländern und in dem für Äußeres zuständigen EG-Kommissar Hans van den Broek.

Kohl begründete sein Engagement damit, daß es niemanden gebe, der bereit sei, weitere Soldaten auf den Balkan zu schicken. Aus „moralischen Gründen“ seien Waffenlieferungen deswegen notwendig. Für die bosnischen Muslime allerdings dürfte die Militärhilfe – so sie eines Tages bewilligt wird und überhaupt in die umkämpften Gebiete gelangt – ohnehin zu spät kommen.