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Schönhubers deutsche „Versöhnung“

SED- und NVA-Mitglieder in der Führungsspitze der „Republikaner“ / Parteitag in Augsburg soll „Schicksalsjahr“ 94 einläuten / „Säuberungen“ des neuen Organisationsleiters  ■ Von Bernd Siegler

„Unsere Vision ist die Versöhnung aller Deutschen.“ Die Visionen des Bundesvorsitzenden der „Republikaner“ (REP) Franz Schönhuber nehmen zu. Hatte er bislang nur vom Einzug seiner Rechtspartei in den Bundestag geträumt und das Jahr 1994 deshalb zum „Schicksalsjahr“ Deutschlands und der Partei erklärt, will er jetzt als „Erneuerer Deutschlands“, der Ossis und Wessis zusammenbringt, in die Geschichte eingehen.

Um die dünne Personaldecke zu stopfen, holt er Kader aus der ehemaligen SED wie den Leipziger Soziologie-Professor Günter Bernard oder den ehemaligen Oberst der Nationalen Volksarmee Hermann Flemmig aus Strausberg (Brandenburg) in die Partei und verkauft dies in der jüngsten Ausgabe der Parteizeitung als Akt der nationalen Versöhnung.

Der 53jährige Bernard hat es vom Leiter der Sektion „Wissenschaftlicher Kommunismus“ an der Universität Leipzig zu Zeiten der DDR inzwischen zum sächsischen Landesvorsitzenden der Reps gebracht. Der einstige Marxismus-Leninismus-Forscher ist davon überzeugt, daß die Reps „aus den Hinterzimmern herauskommen, weil diese zu klein werden“.

Auch der NVA-Raketenspezialist Flemmig hat bei den Reps eine steile Karriere hinter sich. Er ist derzeit stellvertretender Landesvorsitzender in Brandenburg. Das Personenkarussell in den neuen Bundesländern wird komplettiert durch die vom Parteipräsidium initiierte Absetzung des thüringischen Landeschefs Walter Kaute und den zum Parteiaustritt gedrängten Parteichef von Sachsen-Anhalt Ekkehard Birkholz. Vor einem Jahr war der 60 Jahre alte langjährige SPD-Politiker beim Rep-Bundesparteitag in Deggendorf noch begeistert gefeiert und ins Präsidium der Partei gewählt worden. Jetzt fiel er in Ungnade – wegen „menschlicher Unzulänglichkeiten“, wie es aus der Parteispitze heißt. Der von der CDU zu den Reps übergewechselte stramm deutsch-nationale Bundestagsabgeordnete Rudolf Krause wird Anfang Juli den Vorsitz in Sachsen-Anhalt übernehmen.

Bis auf die Unklarheit in Thüringen, wo der Schönhuber-Vertraute Josef Brunner aus Passau versucht, die Partei auf Vordermann zu bringen, ist also im Osten die Führungsriege auf Linie gebracht. Gerade rechtzeitig, wie Rep-Chef Schönhuber hofft, denn er ist überzeugt, daß nur die Partei selbst ihren Siegeszug selbst stoppen könne. Auch der stellvertretende Rep-Bundesvorsitzende Alexander Hausmann aus Starnberg, der 20 Jahre lang CSU- Mitglied war, ist mit dem Personalwechsel sehr zufrieden. „Wir sind jetzt bundesweit überall voll durchorganisiert und gut gerüstet für 1994.“

Das Lob Hausmanns fällt auf Oberstleutnant a. D. Udo Bösch zurück. Nach 22 Jahren bei der CDU entdeckte Bösch 1992 bei den Reps seine neue politische Heimat. Er arbeitete mehrere Jahre beim Bundesnachrichtendienst. Im Herbst letzten Jahres machte ihn Parteichef Schönhuber zum neuen Bundesorganisationsleiter. Bösch sollte die Organisation in den neuen Bundesländern ausbauen und das „Sicherheitsproblem der Partei“ lösen. Der Ex- BND-Mann suchte nach U-Booten aus den Reihen der NPD, der DVU, der Deutschen-Liga oder anderer rechtsextremistischer Gruppierungen. Er wurde schnell fündig, und es rollten die ersten Köpfe. Der ehemalige Rep-Chef aus Sachsen, Winfried Pätzold, stolperte über die Herstellung eines Flugblattes, dessen Inhalt überwiegend aus Publikationen des DVU-Chefs Frey abgeschrieben war. Andere dagegen schützt Saubermann Bösch. Auf NVA- Mann Hermann Flemmig zum Beispiel hält er große Stücke, doch dürfte auch Bösch bekannt sein, daß Flemmig Mitglied des Berliner Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerkes ist. Das Bildungswerk wird geführt von Mitgliedern der rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DL), der NPD sowie der Wählervereinigung „Die Nationalen“. Bei den „Nationalen“ arbeiten Mitglieder von NPD und DL Hand in Hand mit militanten organisierten Neonazis von der „Nationalen Alternative“ oder Aktivisten der illegalen NSDAP/AO wie dem Berliner Oliver Schweigert.

„Wir gewinnen unsere Wahlen im Osten“, ist Bösch aufgrund des Revirements an der Spitze überzeugt. Das Nazi-Image beginne aufgrund der Existenz von „vorzeigbaren Leuten“ zu bröckeln. Vorzeigbar sind für die Reps SED- und NVA-Leute, soweit sie „keine Verbrechen begangen“ oder Mitbürger bei der Stasi „hingehängt“ haben. „Die DDR war viel deutscher als die Bundesrepublik, sie war weit weniger russifiziert als die BRD amerikanisiert“, begründet Rep-Chef Schönhuber seine neue Strategie und fühlt sich bestärkt durch den Mitgliederzuwachs in den neuen Bundesländern. Knapp über 4.000 Mitglieder zählen die Reps dort, insgesamt tragen 24.000 das Parteibuch in der Tasche.

Auf dem am Wochenende anstehenden Bundesparteitag in Augsburg wollen die Reps ihr Programm aus dem Jahre 1990 fortschreiben.

Schönhuber setzt den Themenschwerpunkt auf die Absage an Maastricht sowie auf die Sozialpolitik. Er warnt davor, eine „programmatische Gemischtwarenhandlung“ zu verabschieden, denn schließlich solle in Augsburg der „Übergang von der Protest- zur Programmpartei gelingen“. Ob der Parteitag in der Schwabenhalle überhaupt stattfinden kann, will Augsburgs Ordnungsreferent Willi Reisser kurzfristig in Abstimmung mit der Polizei und dem Innenministerium entscheiden. Anhaltspunkte, den Parteitag aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu verbieten, hat Reisser momentan keine.

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