Belangloses Sozialarbeitergesülze

■ Premiere im Schmidts: „Der Gestiefelte“ vom College of Hearts   von Kai Rehländer

Als vor der Vorführung eine Stimme aus dem Off verkündete, die Zuschauenden mögen doch bitte das Rauchen einschränken oder aber auf die sponsernde Marke zurückgreifen, entbehrte das nicht eines gewissen Charmes. Zu einnehmend erschien indes das Verhökern von Devotionalien auf der Bühne nach der Premiere von Der Gestiefelte des Berliner Ensembles College of Hearts in dem aus Funk- und Fernsehen bekannten Etablissements der Schmidts am Dienstag abend.

Rainer, ein weltfremder Träumer, der sein persönliches Unglück stets auf die ungünstige Konstellation der Gestirne bei seiner Geburt zurückführt, lebt mit seinen beiden Drillingsbrüdern, einem Fitneß-Proll und einem Computerfreak, bei seiner Mutter, die ein Fitneßstudio besitzt. Nach dem Tod der Mutter – durch einen von Rainer verursachten Unfall – kommt er in Untersuchungshaft, erbt einen sprechenden Klopfstaubsauger und verliebt sich in seine Sozialarbeiterin Iris König, die mißratene Tochter des dönersüchtigen Bordell-Königs. Um an die Adresse seiner Liebsten zu kommen, verschafft Rainer seinem sprechenden Klopfstaubsauger ein paar Stiefel, mit denen dieser wilde Döner erlegt, die er dem Bordell-König, der sehr vergrämt darüber ist, daß seine Tochter nicht in seine Fußstapfen treten will, zum Geschenk macht. Um an Iris ranzukommen, muß Rainer nun, auf Anraten seines Klopfstaubsaugers, in die Rolle eines Luden schlüpfen. Nach Szenen in einer Sauna und in dem Fitneßstudio, das Rainer zwischenzeitlich von seinen Brüdern zurückerobert hat, kommen er und Iris zusammen und die ganze Sache hat ihr wohlverdientes Happy-End.

Eine Geschichte, die als solche eigentlich ein hohes Unterhaltungspotential hat, inszeniert aber nur über einige wenige Höhepunkte verfügte, etwa das von Susanne Betancor (als Iris) gesungene Sozialarbeitergesülze. Über weite Strecken wirkte die gesamte Inszenierung eher Schmidts-untypisch bieder, fast so wie der Versuch deutscher Privatfernsehsender, amerikanische Sitcom-Serien nachzustellen. Musikalisch gab es zwar wenig zu beanstanden (abgesehen vielleicht von den verunglückten Rap-Versuchen am Anfang des Stückes), auch tänzerisch war alles auf durchaus professionellem Niveau – der mit einer Tuba simulierte Orgasmus während einer Bordellszene höchst gelungen. Doch das konnte die Inszenierung der College of Hearts, die zuvor mit Musicals wie New York muß brennen, Blutiger Honig und Der letzte Waschgang durchaus schon für Furore sorgen konnten, nicht mehr vor der Belanglosigkeit retten.

Oder war es etwa wieder einmal die Unfähigkeit eines Hamburger Kritikers, das „Schrille“, Komische von Berliner Theatergruppen zu goutieren?