Hamburgs gierigster Vermieter

■ 18.000 Mark Abstand für ein altes Hochbett, doppelt soviel Miete wie erlaubt / Die Heizung müssen die Mieter selbst einbauen     Von Marco Carini

Die hohe Abstandsforderung machte sie gleich stutzig. Trotzdem bewarb sich die Architektin Genia F., die zusammen mit ihrem Freund eine Wohnung sucht, auf die Chiffre-Announce im Hamburger Abendblatt. Das Angebot: eine 88 Quadratmeter große Vier-Zimmer-Wohnung in St.Pauli, sofort frei. 1250 Mark Miete verlangte der unbekannte Inserent, dazu 15.000 Mark Abstand. Kaum hatte Genia F. die Bewerbung abgeschickt, da klingelte auch schon ihr Telefon - drei Minuten später war der Besichtigungstermin vereinbart.

Doch als der Vermieter, der sich nur kurz mit Hansen vorstellte, die Tür der leerstehenden Wohnung in der Annenstraße 4 aufschloß, fielen der Architektin fast die Augen aus dem Kopf. 88 Quadratmeter Bruchbude, ohne Bad und vernünftige Heizung. Nur zwei der vier Zimmer mit alten Kohleöfen ausgestattet, die hölzernen Fensterrahmen marode, die ganze Wohnung in verwahrlostem Zustand. Als die Architektin den Vermieter fragte, wofür er denn bitte Abstand kassieren wolle, erhielt sie eine eindeutige Antwort: „Das müssen Sie mir zahlen, um an die Wohnung überhaupt ranzukommen“.

Allerdings sei in diesem Betrag auch eine Monatsmiete und die Kaution enthalten. Die restlichen 11.250 Mark aber, daran ließ der Vermieter, der der Interessentin weder seinen Vornamen noch seine private Rufnummer verriet, keinen Zweifel, werde er sich in die eigene Tasche stecken. Darüber hinaus verlangte Herr Hansen von der Architektin, sie müsse auf eigene Kosten eine Gasetagenheizung einbauen (Kosten über 10.000 Mark). Wie überteuert die verlangte Miete ist, erfuhr Genia F. schließlich beim Blick auf den Hamburger Mietenspiegel. Der sieht für eine vergleichbare Wohnung ohne Bad und Sammelheizung eine Obergrenze von 6.63 Mark pro Quadratmeter vor, sie selbst aber sollte 14.20 Mark, mehr als das doppelte, berappen.

Für Ekkard Pahlke, Chef des Mietervereins zu Hamburg ein klarer Fall von „strafrechtlich relevantem Mietwucher“. Auch die unbegründete Abstandsforderung verstoße „eindeutig gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz“. „Möglicherweise“, so der Jurist Pahlke weiter, liege sogar der Straftatbestand des „Betruges oder der Erpressung“ vor. „Wer unter solchen Bedingungen einen Mietvertrag unterschreibt, kann den Abstand zurückverlangen und gegen den Mietwucher klagen“, verrät der Mietervereinsvorsitzende.

Alfred Hansen, so sein voller Name, ist für Pahlke kein Unbekannter. Vor knapp einem Jahr vermietete er im selben Haus eine ähnlich verwahrloste Wohnung zu vergleichbaren Bedingungen. Damals verlangte er von der Studentin Nicole S. erst 12.000 Mark Abstand, sattelte später aber noch drauf: „Jemand anders hat mir 18.000 Mark geboten, doch wenn Sie das zahlen, können Sie einziehen“. Der einzige Gegenwert: ein altes Hochbett. Die Studentin willigte mangels Alternativen ein und zahlt ebenfalls eine Miete weit oberhalb des Mietenspiegels.

Von Hansen bekam sie in ihren Vertrag die Klausel diktiert: „Der Mieter verzichtet auf die Rückforderung seiner Abstandszahlung aus jedwedem Rechtsgrund. Der Bestand des Mietverhältnisses ist mit dem Bestand dieser Vereinbarung verbunden“. Für Ekkard Pahlke ist diese „sittenwidrige Vereinbarung“, die das „deutliche Unrechtsbewußtsein des Vermieters“ beweise, eine „eindeutige Nötigung“. Der Geschädigten riet er zu klagen. Die aber lehnte ab, aus Angst, ihr Vermieter würde ihr das Leben zur Hölle machen.

„Herr Hansen hat sich dadurch offenbar ermutigt gefühlt“, vermutet Ekkard Pahlke. Und nicht nur er. Immer mehr Vermieter nutzen nach Beobachtungen des Hamburger Mietervereins die Wohnungsnot skrupellos aus, kassieren Wuchermieten und unberechtigte Abstandszahlungen, stecken die Maklercourtage ins eigene Portemonnaie.

„Nur wenn die Mieter den Mut aufbringen, sich rechtlich dagegen zu wehren“, so Pahlke, „können wir das Hamburger Wohnungs-Wildwest stoppen“.